Leid und Leidenschaft - Myria Crieth

Started by Myria Crieth, 06. Februar 2008, 15:00:14

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Myria Crieth

"Und doch war all dies nur ein Vorspiel,
nicht mehr als ein matter Abglanz,
von dem was noch kommen sollte".



Vorwort: (Bitte lesen!)

Hallo werter Leser!
Ich denke es wird Zeit die Geschichtensammlung meines Charakters in dieses Forum zu übertragen.
An Hand der Daten ist zu erkennen, dass er schon eine gewisse Geschichte mit sich bringt (2003-2008, das sind 5 Jahre).
Natürlich sind alle Texte sortiert, gefiltert und teils Anfang 2008 überarbeitet worden. Nichts
vor Weltentor hat noch direkten bezug zu Ereignissen aus dem damaligen Spiel, so das es auch jetzt
noch interessant zum lesen ist. Es sind Texte wie die Vorgeschichte, welche ich zu meiner ersten
Anmeldung von Myria schrieb. Es sind andere Texte ihrer Vorgeschichte, Geschichten zu den Zeiten
in denen ich Pause machte oder garnicht mehr gespielt habe. Teils sind es auch Texte die Myria selbst
verfasst hat, damals in ein kleines Buch, welches das Portal von Fürstenborn leider auf Faerun vergessen
hat - Gnade der armen Seele die es findet.
Der Sinn der Texte ist es tiefere Einblicke in den Glauben Myrias, in ihre Hintergründe und doch relativ
komplexen Charakter zu geben. Auch wenn ich mir Mühe gebe das auch im Spiel durchscheinen zu lassen,
ist es nie möglich genug eindeutige Hinweise zu geben. Auf diese Weise lässt sich der Charakter weit
besser beschreiben.

Ich denke es zeigt sich auch ein gewisser Wandel in den Texten. Während zu meiner aktiven Spielzeit
grösstenteils Texte die der Charakter selbst verfasst hat darin sind, bei denen ich versucht hab den
Stil des Charakters, und nicht meinen eigenen, zu nutzen, bin ich dann mehr dazu Übergegangen längere
Texte zu schreiben, aus diversen Perspektiven.
Meine persönlichen Favoriten sind "Das Schicksal der Bianca von Hochbing" und "Zyklus des Schmerzes I".
"Zyklus des Schmerzes I" ist wohl soweit mein bester Text, aber macht mehr Sinn wenn man zuvor
"Das Schicksal der Bianca von Hochbing" gelesen hat.
~ Wem es zuviel Text ist, der sollte dann möglichst mit diesen Anfangen ;)

Beim lesen von langen Texten lohnt es sich die Zeilenlänge zu verkürzen (z.B. verkleinern des Browserfensters).
60-80 Zeichen sollten in etwa das Optimum sein.


Inhalt:
00. Einleitung Loviatar 21.11.2006
01. Wege des Leids (Vorgeschichte zur ersten Anmeldung) 09.08.2003
02. Leid und Leidenschaft 24.07.2004
03. Gedichte 24.07.2004
04. Opfer 30.07.2004
05. Das Schicksal der Bianca von Hochbing 30.10.2004
06. Zwischen Schmerz und Verlangen 01.06.2005
07. Elemente des Leids 24.07.2004, 25.05.2005, 21.11.2006
08. Zyklus des Schmerzes I 5.12.2006
09. Wiederkehrende Albträume I (Beginn der Weltentor Zeit) 31.01.2008
10. Gedanken einer Sadistin 08.02.2008
11. Wiederkehrende Albträume II 08.02.2008
12. Wiederkehrende Albträume III 28.01.2008
13.


Loviatar, Maid der Schmerzen
- Eine grobe Zusammenfassung

Gesinnung: Rechtschaffen Böse
Einflusssphären: Schmerzen, Verletzungen, Todesqualen, Pein, Leiden, Folter

Loviatar ist als eine aggressive, dominante und furchtlose Göttin bekannt. Ihre ganze Religion beruht auf der Verbreitung von Schmerz in all dessen Formen. Ihre Rache wünscht man nichtmal seinem schlimmsten Feind und kaum jemand hat den Mut die Göttin selbst zu beleidigen, denn ihre Kleriker würden den Tod wie einen Segen erscheinen lassen.

Ihre Kirche ist am stärksten in grossen Städten verbreitet, in welchen direkt aus dem gelangweilten Adel rekrutiert wird - die Kirche ist auch in fast allen Städten geduldet. Aber an Loviatar wenden sich auch jene, die Leid und Schmerz ertragen mussten. Die, die den Schmerz fühlten und ihn weitergeben wollen, sich Rache wünschen. Folterknechte oder Sadisten folgen ihre genauso wie Tyrannen.

In der Kunst ihrer Religion wird Loviatar als eine junge und bleiche Schönheit dargestellt. Sie trägt eine Rüstung die viel Haut zeigt und in einem langen Gewand endet, in einer Hand einen weissen Stab, in der anderen eine Peitsche. Wenn Loviatar spricht, werden ihre Worte von einem eiskalten Wind begleitet.

Myria Crieth

#1
Wege des Leids (09.08.2003)

Der Himmel war getaucht in dunkles Blau, darüber waren die hell leuchtenden Sterne gestreut, Diamanten gleich. Ein zärtlicher Wind durchzog die erfrischende Nachtluft des ehemals warmen Sommertages. Die sanft geschwungenen Linien der Hügellandschaft waren bedeckt von saftigen Grass. Durch die Hügel schlängelte sich ein breiter Bach, vorbei an einem steinernem Bauernhaus.
Die Nacht war nicht nur erfüllt vom Plättschern des Baches, sondern auch von der Melodie der Liebe, welche aus dem Bauernhaus drang. Das rythmische Keuchen von Mann und Frau sollte den nächsten Frühling mit einem neuen Leben beschenken.

Marken war ein kräftiger Mann, der schon seit seiner Kindheit auf den Feldern stand. Vor vielen Jahre hatte sich Alandrya in den Mann mit den kurzen schwarzen Haaren und den klaren blauen Augen verliebt. Damals verliebte auch er sich in das Mädchen mit dem langen blonden Haar und den grünen Augen. Schon recht früh starb der Vater von Marken in einem harten Winter und er übernahm den Hof. Ihm blieb keine Zeit zum Trauern, denn er und sein jüngerer Bruder mussten sich um die Felder und um die eigene Mutter kümmern. Zu dieser Zeit trafen beide aufeinander, um sich zu verlieben und wenig später auch zu heiraten. Als dann die Kinder geboren wurden, schien das Glück perfekt.

Myria war das zweite Kind von Alandrya und Marken Ahnswar. Sie hatte eine zwei Jahre ältere Schwester, Lysa und ein Jahr später sollte sie noch mit einem kleinen Bruder namens Antar bekommen. Sie selbst hatte das schwarze Haar und die blauen Augen des Vaters geerbt, während ihre Schwester feuerrotes Haar und grüne Augen hatte und ihr Bruder braunes Haar und blaugraue Augen.
Sie alle drei hatten eine glückliche und zufriedene Kindheit. Auch wenn die Familie nie zuviel von etwas hatte, fehlte es auch niemand an etwas. Nicht weit entfernt, gab es ein kleines Dorf mit einem Priester, einer Schneiderin und sogar ein Gelehrter zog hin und wieder durch das Dorf und unterrichtete die Kinder dort - auch wenn die meisten wenig Zeit dafür hatten, da sie selbst bei der Arbeit helfen mussten.
Das größte für die Kinder der Familie Ahnswar und wohl auch der anderen, waren die Besuche in der Stadt. Regelmässige fuhr die Familie mit der Kutsche dorthin, um Gemüse und Tiere zu tauschen und zu verkaufen. Schliesslich konnte man nicht alles selbst herstellen.
Wie schon erwähnt waren die Besuche das Größte für die Kinder. Die vielen Leute, ihre durchaus teils merkwürdigen Gewänder, die Gaukler, die Waren auf den Marktplätzen... die große, bunte Welt der Stadt war Abenteuer und Paradies zugleich. Die Kinder hatten keine Augen für die Bettler, Kranken und Schurken dort.

Es war an einem bewölkten Herbsttag, die Strassen waren immernoch feucht von den letzten Schauern einige Stunden zuvor. Doch schien sich niemand an dem trüben Stadtbild zu stören, die Rufe des Marktplatzes hallten durch die Strassen wie eh und je.
Wiedereinmal war die Familie in der Stadt, neues Werkzeug wurde vom Schmied benötigt. Während der Vater sich mit dem Schmied unterhielt und Antar mit grossen Augen die ausgestellten Schwerter besah, waren Alysandra, Lysa und Myria eine Strasse weiter und lauschten der exotischen Musik, die ein Südländer dort zum Besten gab. Beim Schmied sollte Marken ein Gerücht aufschnappen als weitere Herren die Schmiede betraten. Sein Blick versteinerte sich und ohne weitere Worte, eilte er aus der Schmiede - Antar fest am Arm gepackt. Auf dem Weg zu den Frauen, merkte er recht deutlich das wohl schon andere ebenfalls davon erfahren hatten, denn die Strassen waren ein einziges Gedränge. Als er endlich seine Familie erreicht hatte, fragte Alandrya natürlich sofort was los wäre. Bei den vielen eilig gesprochenen Worten verstand die junge Myria nur eines: Seuche.

Wie so viele Andere versuchten die Ahnswars durch das Nordtor die Stadt zu verlassen. Vor dem abgesperrten Nordtor gab es ein riesiges Gedränge, das nicht gerade dazu beitrug die Angst der Anwesenden zu mindern. Die Kinder und ebenso die Mutter waren der Panik recht nahe, als Marken plötzlich zu Husten begann. Zuerst hustete er nur vereinzelt, dann mehr und mehr, einem Hustenanfall gleich, bis er schliesslich mit einer Mischung aus Husten und Röcheln auf die Kniee hinabfiel. Sofort war Alandrya bei ihm, um ihn zu halten, während Myria etwas zurücktrat vor Schreck, doch nicht weniger besorgt um ihren geliebten Vater. In nur wenigen Augenblicken war die Menschenmenge auseinander gegangen und bildete einen weiten Kreis um die Familie.
Myria schrie voller Panik nach Hilfe für ihren Vater, doch es half niemand. Flüche, Schreie, die vielen fremden Gesichter, alles begann sich um Myria zu drehen, ihre Augen füllten sich mit Tränen. Es begann wieder zu regnen. Myria wurde schwarz vor den Augen, als die Menge von der Wache geteilt wurde. Sie spürte noch wie eine fremde Hand sie packte und in die Menge zog.

Es war noch am gleichen Abend als Myria im dem Hinterzimmer einer Taverne erwachte. Die Stimmen im Vorderraum hatten sie aufgeweckt. Während sie den Stimmen lauschte, sah sie sich im Raum um. Der Raum war zwar klein, schien aber recht gemütlich. Noch dazu war er sauber. Zuerst verstand sie kaum etwas, doch nach und nach wurden die Stimmen deutlicher für sie. Bruchstückhaft erfuhr sie, das ein Priester sie wohl für gesund erklärt hat und die Wachen Vater und Mutter mitgenommen hatten. Obwohl Myria nicht wusste was genau geschehen war und was ihren Eltern widerfuhr, befürchtete sie jedoch das Schlimmste. Von ihrem bisher so schönen, ruhigen Leben war nicht mehr als Scherben geblieben. Als hätte man es gewaltsam zertreten. Wieder schlichen sich Tränen in Myrias Augen und sie fiel auf das Bett zurück, um sich in den Schlaf zu weinen.

In den folgenden Wochen weigerte Myria sich mit ihrem Retter oder irgendjemand überhaupt zu reden - bis auf die immer wiederkehrende Frage nach ihrer Familie. Natürlich konnte weder die Frau des Wirtes, die Myria gerettet hatte, noch der Wirt genaues sagen. Bei der erstbesten Gelegenheit rannte Myria davon. Sie wusste weder genau wohin, noch was sie tun sollte. Doch die Trauer und Angst um ihre Familie verfolgte sie dabei. Myria verliess die Stadt in mitten einer Gruppe Durchreisender, die sie nichteinmal kannte. Sie hatte Angst das die Wachen sie vielleicht auch holen würden..

Eine Stunde später, ausserhalb der Stadt traf Myria den Händler Eldor Thwanig, der Mitleid zeigte und sie bis zur nächsten Herberge mitnahm, einige Tagesreisen entfernt. Obwohl Eldor ihr etwas zu Essen gab und eine Decke für die Nacht, wechselte Myria auch mit ihm kein Wort. Bei der Herberge angekommen verabschiedete sich Myria mit nicht mehr als einem knappen "Danke", nach Tagen der schweigsamen Reise.

Die blauen Augen Myrias streiften einen Moment lang an der Herberge entlang. Die Sonne war gerade dabei sich hinter dem Horizont zu verstecken und tauchte das große Gebäude in ein tiefes rot. Der schöne Anblick des Gebäudes hielt Myria jedoch nur wenige Sekunden, bevor sie die Herberge betrat. Der große Raum in den sie schritt, nahm fast das ganze Erdgeschoss ein. Eine recht grosse Taverne mit nicht gerade wenig Reisenden darin, auch wenn noch viele Tische frei waren. Myria setzt sich an einen Tisch in der Ecke, ohne wirklich zu wissen was sie nun tun sollte. Sie verstand die Welt nicht mehr, doch hasste Myria sie. Immerwieder suchten die Bilder des Geschehenen sie heim, Albträumen gleich. Wie sie panisch nach Hilfe schrie, all die Gesichter, niemand wollte helfen, die Schritte der Wache, ...
Etwas riss Myria aus den unschönen Gedanken und sie hob den Kopf an, um in das rundliche Gesicht des Wirtes zu schauen. Der Wirt fragte erneut, was Myria zum Trinken wünsche. Verunsichert stotterte Myria hervor, das sie zwar Durst hätte, aber kein Gold bei sich und das ihr das Leid täte. Gegen sein Mitgefühl ankämpfend seufzte der Wirt laut. Als Myria ansetzte weiter zu stottern, erklang eine wohl klingende Frauenstimme vom Nebentisch "Schon gut, bringt ihr einen Kräutertrunk - ich zahle für sie.". Während der Wirt sich mit einem dankbaren Lächeln davonmachte, setzte sich die Frau gegenüber Myria an den Tisch.
Lange schwarze Haare fielen glatt über die Schultern der Frau, jedoch waren die Haare im Gegensatz zu denen von Myria an der Stirn kurzgehalten und weit gepflegter. Ihr wohlgeformter Körper war in eine Kombination aus schwarzem Leder und langem violetten Gewand gekleidet, mit einem silbernen Muster verziert. Ihre Halskette, die Ohringe und Armreifen waren ebenso silbern. Myria hatte selten eine so schöne Frau, und noch dazu in solcher Kleidung gesehen.
Mit freundlicher Stimme stellte sich die Fremde als Iriat Crieth vor, und begann sich mit Myria zu unterhalten. Ihre Worte waren einfühlsam und verstehend, als würde sie den Schmerz kennen - und noch dazu äußerst geschickt gewählt.
Schon nach kurzer Zeit begann Myria sich alles von der Seele zu reden, sich ihr mittzuteilen. Iriat schien alles zu verstehen, was Myria sagte. Und sie bot ihr einfache Erklärungen, sowie Hilfe.
Myria folgte Iriats Angebot, sich von ihr Lehren zu lassen. Zum einen völlig verzaubert von Iriat, zum anderen... ...hatte sie eine Wahl? Was sollte sie sonst tun?

Myria bekam neue Kleidung - Gewänder von der sie nie zu träumen gewagt hätte! Ebenso hatte immer genug zu essen und manchmal auch etwas mehr. Sie wurde wieder im Leben verankert. Schon nach einigen Tagen hatte sie von Iriats Klerikerdasein und von der Göttin Loviatar erfahren. Der Name Loviatar sagte ihr wenig, auch wenn er ihr bekannt vorkam.
Während ein Älterer von Iriats Schülern Myria Dinge wie Lesen und Schreiben beibrachte, kümmerte sich Iriat selbst um die Lehren Loviatars. Für die erfahrene Frau war es ein Leichtes, Myria zum Glauben zu verführen und den Lehren Loviatars hörig zu machen. Sie wusste es Myrias Hass zu schüren, der tief in ihr war, gegen all die Fremden Gesichter die ihrem Vater nicht halfen.
So begannen die Jahre zu verstreichen und Myria reiste mit Iriat und ihren anderen Schülern durch das Land.

...

Es war etwa zehn Jahre nachdem Myria auf Iriat getroffen war. Der Winter hatte das Land mit seinem weissen Tuch bedeckt. Seine kalten Winde strichen darüber hinweg und trugen die Schneeflocken tanzend mit sich. Ironischerweise befanden sich Myria und Iriat auch diesmal wieder in einer Herberge, jedoch nicht in der dazugehörigen Taverne, sondern auf einem Zimmer dort.
Das Zimmer war eines der größeren in der eher kleinen Herberge. In der Mitte stand das grosse Bett, zur rechten war das Fenster. Ansonsten war es gemütlich eingerichtet und selbst an diesem kalten Wintertag war es nicht zu kalt im Zimmer. Iriat lag in dem Bett, Myria stand daneben, Irats Hand haltend. Myria trug eine weisses Stoffhemd und eine mitgenommene dunkelbraune Lederhose. Die langen schwarzen Haare waren strähnig und teilweise verklebt. Iriats Körper war von einer warmen Decke bedeckt. Ihre Haut noch blasser als die von Myria, die Augen halb geschlossen. Schweigen erfüllte den Raum für eine lange Zeit, bis Iriat die Augen schloss. Niemals wieder sollte sie ihre Augen öffnen und Myria wusste es. Noch eine Weile hielt sie ihre Hand, während sich eine Träne einen Weg über ihre Wange bahnte.
Schliesslich beugte sich Myria nach vorne und gab Iriat einen Kuss auf die, schon lange nicht mehr roten, Lippen. Danach verliess sie den Raum, noch immer klebte das Blut in ihrem Haar.

Wieder sah Myria ihr Leben zu Scherben zerschlagen. Der Kampf zwischen den verschneiten Tannen, Iriats Macht im Kampfe, der Bolzen, der rote Schnee, Stunden in der Kälte, Scherben. Sie spielte durchaus mit dem Gedanken weinend zusammenzubrechen. Doch dafür war kein Platz in ihrer neuen Welt. Nein, für Myria war es Zeit der Welt etwas von dem Schmerz zurückzugeben, den sie erfahren hatte. Myria nahm den Nachnamen Crieth an, um Iriat zu ehren. Ein Schwert an der Seite und mit einigen Münzen im Beutel ritt sie los. Ohne ein klares Reiseziel vor Augen.

Myria Crieth

#2
Leid und Leidenschaft von Myria Crieth (24.07.2004)

Und die Axt fuhr hinab, um tiefe Wunden
in das Holz zu schlagen. Der Landmann,
der Holzfäller am Werke. Mit Kraft und
Geschick arbeitete er, auf das sein Weib
und sein Kind nicht der Kälte oder dem
Hunger erliegen müssen.

Doch um des Winters kalten Klauen zu
entfliehen, machte er sich auf zur Stadt.
Sofort ward der reiche Handelsmann gefunden,
zu helfen und beschützen gern bereit, so
bot er Hilfe und Freundschaft an. Der
Landmann in all seiner Not, war nur zu
gern bereit für des reichen Mannes Hilfe.
Woher sollt er auch Wissen, das sein Weib
es war, auf das des Händlers Aug geworfen?

Die Götter und die Welt, zum Dank an
sein gerechtes und ehrliches Leben, sahen
dabei zu, wie sie kamen, des Nächtens.
Die Klingen blitzend im Dunkel der Nacht,
des reichen Mannes Waffen. Er, der er so
viel versprochen hatte, war nun gekommen
mit Feuer und Schwert, um sich zu nehmen
des Landmanns Weib und Vieh.

Der Landmann, bereit Hof, Weib und Kind
zu schützen, ging darnieder nach nur
einem Streich.
Am nächsten Morgen dann, in aller früh
schlug der Landmann seine Augen auf. Im
eignen Blute liegend schien er dem Tode
nahe. Und doch, mit aller Kraft, suchte
er im Haus nach Weib und Kind. Sie beide
zu finden war für ihn schlimmer, als sie
niemals wieder zu sehen. Die Kehlen offen.
Ohne Gefühl und ohne Verstand warf er sich
darnieder, seine Verzweiflung gegen den
hölzernen Boden schlagend.

"Loviatar,
dunkle Königin der Schmerzen,
wohin mein Weg mich auch führen mag,
du allein wirst ewig bei mir sein.
Wenn sich alle von mir gewendet haben,
dann legst du deine Arme um mich."


Doch dann kam der Schmerz, unmittelbar
und direkt. Keine Täuschung, keine Lüge
und kein Betrug. Der Schmerz offenbarte
sich in all seiner Reinheit. Er erkannte
es. Schmerz ist Wahrheit. Und so ging er
auf die Knie, das Leben floss aus ihm
heraus. Von Trauer und Schmerz gepeinigt,
im Blut von Weib und Kinde liegend, wollt
er seine letzten Worte, Liebe und Hass,
zur Herrin richten.
Erst als seine letzte Stund geschlagen
hatte, erkannte er ihre Schönheit. Er
begann zu bitten und zu danken. Er dankte
das er diese Reinheit und Schönheit noch
vor seinem Tode sehen durfte. Er bat um
Rache, das man sich des Handelsmannes
annahm, auch wenn nun dahinscheiden würde.
Wie gerne hätte er die Wahrheit auch
dem Rest der Welt gezeigt!

"Loviatar,
dunkle Königin der Schmerzen,
du bist die vollkommene Reinheit,
frei von Welten Trug und schein.
nimm Dich meiner an, lass mich erfahren,
lass meine Schreie verstummen."


Kalt umfing ihn dann der Winterwind,
als die Herrin selbst zu ihm sprach.
Die Stimme war die Erlösung selbst und
doch das Salz in der Wunde. In einem
Rausch zwischen Schmerz und Glück wurde
es ihm vergöhnt der Göttin Worte zu
erfahren.

"Deine letzte Stunde hat noch lange nicht
geschlagen, mein gequälter Landsmann.
Nimm deinen Schmerz, bewahre ihn in Dir
und ziehe hinaus um meine Worte zu
verbreiten. Nimm Dir deine Rache in
meinem Namen. Nimm meine Gaben und
nutze sie. Erhebe Dich als Priester
deiner Göttin!" - so sprach sie zu ihm.
Und er erhob sich, er tat wie befohlen.
Und er hinterliess eine Spur aus Blut
hinter sich, die von seinem verbrannten
Haus, bis hin zum Körper des reichen
Handelsmannes führen sollte.

Dort fand man ihn, den Händler, mehr
Monster als Mensch, gequält und
gefoltert, fast hingerichtet, doch
immernoch am Leben, langsam dahinsterbend.
All der Schmerz den er brachte, durfte
auch er erfahren und auch er erkannte
die Göttin zuletzt, auch wenn er dann
schon vor den Pforten des Totenreiches
stand.

"Loviatar,
mein Leid und meine Leidenschaft,
dein Schmerz lässt mich erkennen,
und die Qual lässt mich sterben.
Deine Folter lässt mich bereuen,
dein Schmerz lässt mich verzweifeln."


Gefangen in seinen Schmerzen und doch
befreit in der Tat, ward der Landmann
zu einem der ersten männlichen Priestern
Loviatars geworden. Und er machte seiner
Göttin Ehre, wann immer es ihm möglich
war. Er brachte all den Schmerz den auch
er erlitten hat unter das Volk, ebenso wie
er auch sich selbst immerwieder an die
Grenze des Todes trieb.
Wie sollte er auch sonst mit seiner
Erkenntnis leben? Wie sollte er leben
mit dem Wissen, wo die vollkommene Reinheit
und Wahrheit wartet, ohne sie zu berühren?
Ohne von der Schönheit zu kosten?


"Loviatar, mein Leid und meine Leidenschaft."

Myria Crieth

#3
Das Lied der Klinge von Myria Crieth (24.07.2004)

"Sie schneidet durch die Nacht,
kalter Stahl so leise,
erfüllt von tödlicher Pracht,
so zieht sie ihre Kreise.

In der Gier nach Blut,
der Dolch den Tänzer führt,
erfüllt von eigner Glut,
er des Nackten Haut berührt.

Oh, wie wunderschön es klingt,
der Leib nach Gnade schreit,
wenn die Klinge lieblich singt,
das Lied von Lust und Leid.

Der Lippen letzter Laut,
er verliert sich im Wind,
die Wahrheit ist erbaut,
als das neue Ich beginnt.

Ein rotes Netz sich spannt,
aus Liebe, Schmerz und Gier,
darin er die lockend Wahrheit fand,
Herrin, nun gehört er Dir!"




Kalte Klauen von Myria Crieth

"Kinder spielen, die weisse Winterpracht,
Augens strahlen, ein Herz das lacht.
Schritte tanzen, den Schlitten in der Hand,
helles Lachen, die Gefahr wohl nicht erkannt.
Schnee fällt, er bedeckt des Eises Schicht,
Lachen verstummt, als der Boden bricht.

Laute Schreie, sie ändern doch nicht viel,
Schritte eilig, nun ist es kein Kinderspiel.
Rufe panisch, voller Verzweiflung, voller Hass,
Arme greifen, nichts findet sich im kalten Nass.
Blicke suchen, Trauer, die Stimmen werden leis',
Atem verstummt, ein Gesicht blickt starr durch's Eis."

Myria Crieth

#4
Opfer von Myria Crieth (30.07.2004)

Wenn wir uns für einen Weg entscheiden, wirklich
entscheiden, dann fordert es ein Opfer. Ich meine
nicht die Verblendeten. Die, die aufwachsen und
ihr Leben lang die gleichen Lehren vorgesetzt
bekommen, doch nie darüber nachdenken und sie nie
wirklich hinterfragen. Ich spreche nicht von den
geblendeten Paladinen, welche in ihrem fanatischen
Eifer, schon längst jede Form des eigenen Willens
tief vergraben haben, dort wo kein Zwerg sie jemals
finden könnte. Ich meine jene, die den Weg erkennen
auf dem sie gehen, und die Wege die sie kreuzen.
Ich meine jene, die denken, die sehen und die fragen.
Diese sind es, welche sich gegen das Lebens als
Slaven einer Lüge entscheiden. Diese sind es,
welche die einfachen Ideale hinter sich lassen
und nach Höherem streben. Nach der Gerechtigkeit
und der Wahrheit, die die Blender uns vorenthalten
wollen.

Wer bereit ist, diesen Schritt in die Freiheit
seiner selbst zu tun, sich bewusst den Lügen und
der Versuchung wieder zwischen ihnen unterzutauchen
entgegenstellt. Jene, die bereit sind ihre Klinge
in das Rot des Lebens tauchen zu lassen, ohne sich
dabei ein falsches Ideal des Lichtes vor Augen
halten zu müssen, um in der Nacht noch Schlaf zu
finden.
Wer bereit ist, sich der Wahrheit zu stellen und
sie zu ertragen, der läd eine Last auf sich, für
die kein Sterblicher geschaffen wurde.

Ich diene meiner Göttin bis mein Leben ein Ende
finden muss. Ich weiss um der Gefahren die sich
mir dabei in den Weg stellen. Ich weiss um die
Feinde die ich habe und haben werde. Und ich weiss
um das Opfer das ich tagtäglich bringe. Denn ich
bin bereit für das Ziel etwas von mir aufzugeben.
Jeden Schritt den ich meiner Göttin entgegen gehe,
jeder einzelne Schritt, er lässt einen Teil von
mir zurück und niemals mehr werde ich sie wieder-
bekommen. Dieses ultimative Opfer zu vollbringen,
die Bereitschaft dazu, das ist der Sieg der Meinen.

Wenn ich meine Hand hebe, wenn ich spüren kann,
wie die Stärke durch meine finger zuckt um einen
Feind niederzuwerfen. Wenn ich meinen Arm hebe,
wenn ich spüren kann, wie die Kraft durch meine
Hand fliesst um die Gnade der Maid zu zeigen.
Wenn ich meinen Kopf hebe, wenn ich spüren kann,
wie mein ganzer Körper sich stählt um zu einer
Waffe für ihre Stimme zu werden. Dann, in diesem
Moment, wird das Opfer gefordert. Dann, in diesem
Moment gebe ich einen Teil von mir auf. Ich
tausche mich selbst ein um der Wahrheit, die über
allen anderen steht, dienen zu dürfen.

Versuche ich zuviel von mir zu geben, zu viel
zu tun, zerfalle ich. Eine dunkle Flutwelle
bricht über meinen Geist herein und droht mich
zu verschlingen. Mein Verstand droht sich zu
zersetzen und davongespühlt zu werden.
Niemals sagte ich, das es leicht wäre ein Stück
von sich selbst aufzugeben. Es ist ein Opfer,
wie kein anderes. Der Wille es zu tun muss so
stark sein, das man sein eigenes Leben dem
Ziel unterordnet. Jedes Stück das man gibt
hinterlässt ein Loch das selbst die Zeit nur
bedecken kann, doch niemals wieder füllen.
Den Preis den man dafür zahlt ist hoch und
gibt mal zuviel auf einmal, bezahlt man mit
dem Leben selbst.

Irgendwann wird nichts mehr von mir übrig
sein, das ich geben kann. Irgendwann ist der
letzte Rest von mir verbraucht und mein Ende
wird wie ein schwarzer Schatten über mich
hinfortgleiten. Ich erwarte kein Danke. Ich
erwarte kein Lob ob meines Opfers, doch ich
erwarte das die, die ich gelehrt habe bereit
sind mein Werk fortzuführen, wie ich das meiner
Mentorin fortführe. Denn am Ende werden wir
alle vor der Göttin stehen und werden ihre
unendliche Gnade so tief in unserem Herzen
spüren wie noch nie zuvor.

Dies ist mein Leid, dies ist meine Leidenschaft,
dies ist mein Opfer und dies ist mein Leben.

Und für keine Illusion des Glücks würde ich es tauschen.

Myria Crieth

#5
Das Schicksal der Bianca von Hochbing von Myria Crieth (30.10.2004)


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Ein Schicksal in 5 Akten

1) Prolog
1.1. Bianca von Hochbing
1.2. Roter Schnee
1.3. Scherben
2) Das Schicksal
2.1 Wiedersehen
2.2 Der erste Schritt
2.3 Sieg der Rache
2.4 Des Schmerzes Anlitz
2.5 Das letzte Kapitel
3) Epilog
3.1 Was danach geschah
3.2 Abschliessende Worte

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1) Prolog
1.1. Bianca von Hochbing


"Ein Lächeln so lieblich,
es weckte mein Verlangen.
Ihr Anblick, er traf mich,
und er hielt mich gefangen."


Sie war wie eine schöne Blume auf einem Felsvorsprung,
wunderschön anzusehen und sie zu besitzen ein Traum
- und doch unerreichbar. Ihr helles Lachen glich dem
Gesang von Göttern und ihr Lächeln allein vermochte es
einjeden Sonnenaufgang zu übertreffen. Das lange Haar
fiel glänzend wie Gold über ihre zarten Schultern und
umrahmte ihr Engelsgesicht, um welches sie selbst die
Elfen beneiden mussten.
Und dieses Wesen, von den Göttern mit einem Körper
beschenkt, der ihnen selbst ebenbürtig sein musste,
lebte auf der Burg von Hochbing, als Bianca von Hochbing,
Tochter des Burgherren Aidan von Hochbing. Erzogen
wurde sie wie ihre Mutter. Nichts sollte sie jemals
wirklich lernen. Doch sollte sie dem Adelsmann, der
ihr für des Vaters Reichtum versprochen werden würde,
eine gute Frau sein. Schön anzusehen, fähig seine
Diener herumzuschicken.

Es war an einem kalten Wintertag. Der Wind, er wehte
über das Land. Auf dem Schnee, welcher den Grund und
die Bäume bedeckte, spiegelte sich der Glanz der
Sonnenstrahlen wieder. Und die Sonne selbst, die hoch
und hell am Himmel stand, versuchte uns ihre Wärme
zu schenken - vergeblich in der weissen Pracht.
Meine Schritte sollten mich durch das Dorf der Burg
von Hochbing führen, vom Schicksal selbst gelenkt.
Und dort, dort sollte ich sie erblicken. Dort am
Brunnen, dort stand sie. Mir erging es wie so vielen,
ich sah ihr blondes Haar und ich sah das wunderschöne
Lächeln auf den Lippen und auch um mich war es dann
geschehen. Für einen Moment stockte der Atem und
Engelsschwingen ergriffen mein Herz und trugen es
davon. Der Augenblick wurde zur Ewigkeit.

Am späten Abend dann, im Garten der Burg, sah ich
sie erneut. Diesmal nicht nur aus der Ferne, Nein,
nun stand sie vor mir. Wohl auch dies ein Wink des
Schicksals? Ich sprach zu ihr. Doch als dann Worte
über ihre roten Lippen kommen sollten, war es nicht
mehr als Verachtung. Mein Verlangen, sie schien sehr
genau darum zu wissen. Ihr Verlangen, war allein der
Wunsch zu demütigen. Was hatte sie sonst im Leben?
Ihre Worte schnitten in meinen Geist, als wären sie
eine Klinge und er das Fleisch. Wie sollte sie auch
wissen, dass das Leid nicht mein Feind war? Nicht mehr.
Verwöhnt in dieser abgeschiedenen Gegend, wie sollte
sie da verstehen? So wollte ich mich dem annehmen,
und so versprach ich ihr etwas.

Lachhafte Worte des Trotzes sollten folgen. Doch ich
wand mich ab, denn ich wusste das ich wiederkommen
würde, und sie für jedes ihrer Worte bezahlen würde,
mit ihrem Blut.
Am nächsten Tage zogen wir weiter, weiter in den
Norden, ich und meine Mentorin. Wir waren unterwegs
auf zwei Pferden die uns durch den Schnee tragen
sollten, immer weiter in den Norden.


1.2. Roter Schnee

"Wie kann die Liebe ewig bestehen?
Das kann nur die dunkle Maid.
Wenn die Liebsten von uns gehen,
bleibt am Ende nur das Leid"


Mein bisheriges Leben lässt sich in in drei Abschnitte,
teilen. Und dies sollte das Ende des Zweiten werden.
Ich nenne es gerne 'die Zeit der Lehren', frei von
Sorgen. Ich wurde aus der Unwissenheit herausgerissen,
um die Gnade der Maid zu erkennen. Ich sollte lernen
und die Zeit geniesen. Denn danach sollte sich alles
verändern, in den 'Zeiten des Kampfes'.
Und so zog ich mit meiner Mentorin in den Norden, ich
wusste nicht was sie mir dort zeigen wollte und ich
wusste nicht, wieso die anderen zurückblieben.

Es war nach dem zweiten Zehntag unserer Reise, wir
hatten in einer verschneiten Herberge ein Zimmer
genommen und sie führte unsere Pferde durch einen
verschneiten Pfad im Wald. Doch erreichten wir niemals
das Ziel des Ausritts. Alles ging so schnell. Vor uns
traten einige Männer auf den Pfad, teils schwer gerüstet.
Iriat glitt aus dem Sattel und trat nach vorne, ein
Wortwechsel sollte folgen, Drohungen wurden gesprochen.
An keines der Worte erinnere ich mich, bis auf die
letzten und diese werde ich niemals wieder vergessen.
"Aus meinem Weg, Falk!" "Du weisst das ich das nicht kann."
"Myria. Lauf!" und mit diesem letzten Befehl, riss
sie ihren Streitkolben unter dem Mantel hervor und
richtete die andere Hand nach vorne. Ich befahl meinem
Körper zu gehorchen und zu laufen, doch wollte er sich
einfach nicht bewegen. Niemals zuvor sah ich Iriat
kämpfen, doch der Feuersturm der über die Fremden
hereinbrach, liess meinen Atem stocken.
Der Kampf war kurz und blutig, Iriats Streitkolben
streckte die nieder, welche dem Flammenden Inferno
entkamen. Kein Schild, keine Rüstung bot den Männern
Schutz vor der Waffe.
Mein Blick glitt über die Leichen, welche den Pfad
zierten um sich schliesslich auf Iriat einzufinden.
Ich stieg langsam von meinem Pferd und ging auf sie
zu, noch immer fehlten mir die Worte um etwas zu sagen.
Der Blick von Iriat suchte noch einen Moment die
verschneiten Tannen ab, dann drehte sie sich zu mir
mit einem Lächeln auf den Lippen.

Dann durchschlug der Bolzen ihren Körper, die dunkelrote
Spitze des Bolzens ragte aus ihrem Brustkorb heraus und
mir ward schlecht, warm und kalt zugleich. Noch bevor
mein Verstand realisieren konnte was denn geschehen war,
trübten die Tränen schon meinen Blick. Iriat selbst, sie
blickte an sich hinab, das Lächeln verzogen zu bitterem
Schmerz. Dann sank sie nieder in den kalten Schnee.
Trotz all der Tränen erkannte ich hinter ihr, zwischen
den Tannen den Schütze. Ein junger Mann, verzweifelt damit
beschäftigt mit seinen kalten Fingern die Armbrust neu
zu laden. Ich zog mein Schwert langsam hervor und Schritt
auf ihn zu, wackelige Schritte im Schnee, doch mit jedem
weiteren Schritt festigte sich mein Gang. Schliesslich
erkannte er die Situation und warf die Armbrust einfach
beiseite. Bis heute weiss ich nicht, wieso er dann
versuchte davon zu laufen anstatt sein Schwert zu ziehen.
Es könnte die Unerfahrenheit gewesen sein oder der Hass
der von meinen Augen Besitz ergriffen haben musste.
Ich war schneller als er. Als ich ihn im Laufen mit
einem Tritt gegen seine Beine zu Fall brachte, wand er
sich um und begann keuchend, halb weinend, den Tränen
nahe um sein Leben zu betteln, sich zu entschuldigen.
Seine Stimme überschlug sich.
Mittlerweile waren meine Tränen nicht mehr als Eis auf
der Haut, das kalt darauf brannte, schmerzte und doch
stand es in keinem Vergleich zu dem Schmerz, der in
meinem Herzen war. Er riss noch seinen Arm nach oben,
doch bot dieser und das Leder darüber keinen Schutz
vor meiner Klinge. Der erste Hieb schlug seinen Arm
beiseite, trennte diesen fast vom Körper. Nun schrie er
in Verzweiflung. Das es keinen Sinn hatte sich zu
wehren musste er erkannt haben. Der nächste Schlag zog
sich über seinen Oberkörper und hätte ihn töten sollen,
der Schnee um ihn herum begann sich rot zu färben.
Er krümmte sich, er wimmerte, er schrie, er blutete,
aber sterben, das tat er nicht. Ich beobachte ihn dabei.
Ich wollte das er starb, aber er starb nicht. Überwindung
kostete es mich jedoch nicht, als die Klinge ein drittes
Mal hinabfuhr, durch den Brustkorb drang und kurz darauf
in das gefrorene Erdreich unter ihm. Ich hielt sogar den
Blick auf seine hellen braunen Augen gerichtet, bis der
Glanz in diesen verging und seine Zuckungen aufhörten.

Mein Schwert liess ich zurück, ich glaube mir hätte auch
die Kraft gefehlt es aus seinem Körper herauszuziehen.
Mir war nurnoch kalt, ich hatte noch nicht bemerkt das
sein Blut in meinem Haar klebte und über meinen Mantel
verteilt war. Das es an meinen Händen klebte, das wusste
ich, doch bemerkt hatte ich es ebenso wenig. Ich hatte
ebenso nicht bemerkt, wie weit ich mich von Iriat entfernt
hatte, doch beschleunigte sich mein Schritt. Iriat!
Von Hass und Rachedurst getrieben, hatte ich sie dort
einfach liegen lassen.
Schnell schritt ich über den Kampfplatz, zwischen den
toten Körpern der Angreifer hindurch. Es war kein schönes
Bild, das sanfte Tuch des Schnees hatte seinen Zauber
verloren, als es zu einem Schlachtfeld geworden war.
Vielleicht hätte ich noch schneller gehen sollen. Doch
der Boden war glatt, mir war sowohl kalt als auch übel.
Und ich hatte Angst. Angst um Iriats Zustand.
Als ich mich zu ihr niederkniete und merkte das sie noch
lebte ergriff die Hoffnung von mir Besitz. So vorsichtig
wie möglich schaffte ich sie auf mein Pferd - sie selbst
konnte mir keine Hilfe dabei sein.


1.3. Scherben

"Splitter am Boden verteilt,
die Reste von meinem Leben.
Niemand der meine Seele heilt,
nur das Leid hat man mir gegeben."


Stunden in der Kälte folgten. Wieviele es waren, oder ob
es wirklich eine Ganze war, kann ich nichteinmal mehr
raten. Zeit hatte keine Bedeutung und doch hatte ich
davon zu wenig. Zuviele Gedanken, zuviel Schmerz um
wirklich zu realisieren wie lange ich unterwegs war,
und doch hatte ich einfach keine Zeit. Nicht dazu fähig
einen klaren Gedanken zu fassen, ihr vielleicht sogar
selbst zu helfen, hoffte ich nur darauf das ich Hilfe
finde, spätestens an der Herberge dachte ich.
Und ich sollte recht behalten, erst in der Taverne fand
ich die so dringend benötigte Hilfe. Als ich erfuhr, das
in der Herberge eine durchreisende Heilerin war, dachte
ich zuerst, nicht alles wäre verloren. Doch letzendlich
machte diese Hoffnung den Schmerz nur noch bitterer.
Dies war wohl Iriats letzte Lektion an mich.
Die Wirtin versuchte verzweifelt mich zu beruhigen,
wollte mich dazu bringen eine warme Suppe zu mir zu
nehmen, während die Heilerin ihr Werk vollbringen sollte.
Doch schliesslich sollten ihre Worte mich treffen, als
wäre es ein zweiter Bolzen gewesen. Sie sei versorgt,
doch könnte sie nichts gegen das lähmende Gift unternehmen.

Ich hatte fast alles abgelegt, ich trug nurnoch meine
Stiefel, eine dunkle Lederhose und ein einfaches weisses
Hemd. Meine Hände hatte ich gewaschen, oder vielmehr die
Wirtin für mich. Doch noch immer verklebte das Blut mein
Haar. Vor mir erstreckte sich eines der grösseren Zimmer
der Herberge, es war spärlich eingerichtet, doch wirkte es
trotzdem recht gemütlich. Das Feuer im Kamin erwärmte das
Zimmer selbst an diesem kalten Wintertag. Die Fensterläden
waren geschlossen, das Zimmer wurde jedoch von dem Feuer
und gut einem dutzend Kerzen erleuchtet. Gegenüber der
Türe, an der Mitte der gegenüberliegenden Wand stand das
grosse Bett. Die weisse Bettdecke verdeckte den Körper von
Iriat, ich konnte lediglich ihren Kopf sehen. Niemals
wieder werde ich ihre Lippen vergessen. Lippen, die nicht
mehr rot waren, sondern bläulich. Und obwohl ihr Gesicht
jede Farbe verloren hatte, waren die Lippen wunderschön.
Ja, Iriat war selbst in diesem Moment noch eine Schönheit
in meinen Augen. Ich trat an ihr Bett heran, der Blick
weiterhin auf ihr Gesicht gerichtet. Sie öffnete ihre Augen
langsam und ihr Blick folgte mir. Keiner von uns sagte
ein Wort. Es gab soviel das ich ihr sagen wollte und ich
konnte auch fühlen, das sie mir noch so viel sagen wollte.
Kein Worte kam über unsere Lippen. Dafür gab es einfach
keine Zeit mehr. Dann schloss sie ihre Augen und niemals
wieder sollte sie diese öffnen. Ich beugte mich hinab,
um ihre bläulichen Lippen ein letztes Mal zu küssen.

Danach verliess ich den Raum, denn mein Körper drohte zu
zerspringen. Zerspringen, zu tausend Scherben, meinem
Leben gleich. Ich war mir nicht sicher wie lange meine
Beine mich noch tragen konnten, doch wollte ich nicht
vor ihr zusammenbrechen. Auch wenn sie nicht mehr war,
lag ihr Körper noch immer in diesem Raum, war noch immer
präsent. In diesem Moment, als ich wieder aus meinen
Leben gerissen wurde, aus einem Leben das mir gefiel,
brannte die Flamme des Hasses, der Rache und Vergeltung
so hoch in mir wie noch nie zuvor. Früher wäre ich wohl
wirklich weinend zusammengebrochen, etwas, dem ich noch
immer nahe war. Aber dafür war kein Platz mehr, nicht
mehr in meinem neuen Leben. Zuviel Leid, zuviel Schmerz
und doch bin ich nicht daran zerbrochen. Vielleicht war
dies allein der Zweck von Iriats Lehren. Vielleicht hatte
sie mir all die Jahre über nur von Loviatar gelehrt, weil
sie wusste ich würde in einer solchen Situation am Leid
zerbrechen und mich niemals wieder daraus erheben können.
Ja, nachdem ich die Türe hinter mir geschlossen hatte,
verliessen mich meine Kräfte und ich sank auf die Knie
hinab. Doch blieb ich nicht am Boden. Es kostete mich
viel Mühe, viel Kraft um mich wieder zu erheben. Aber
ich habe es getan. Die Zeit der Rache war gekommen. Wenn
die ganze Welt es darauf anlegte mir das Leben immerwieder
zu zerstören, so sollte die ganze Welt an meinem Leid
teilhaben. Ich würde Iriat rächen und ich würde es in
ihrem Namen tun. Iriat Crieth war verstorben und ein Teil
von mir mit ihr, doch ihre Tochter wurde in diesem Moment
geboren - Myria Crieth.






2) Das Schicksal
2.1. Wiedersehen


"Wissen ist angeblich Macht,
dann ist Vergessen der Feind.
Wer nicht über sein Wissen wacht,
verliert die Macht, wie es scheint"


Der Rückweg führte mich auch wieder durch das Dorf unter
der Burg von Hochbing. Und auch diesmal war ich gezwungen
hier zu übernachten. Es war ein Zufall, vielleicht auch
ein Wink meiner Göttin. Letztendlich hätte ich sowieso
hier halt gemacht. Der kalte Abglanz meiner selbst, er
hatte nun die Kontrolle über mich - und er sehnte sich
nach Rache. Es ist schwer zu beschreiben, was mit Iriats
Tod besitz von mir ergriff. Vielleicht finde ich irgendwann
die passenden Worte dafür, vielleicht.

Diesmal war es ein vergleichsweise warmer Tag. Nurnoch
vereinzelte Reste von Schnee waren hier und da zu erblicken.
Das ganze Dorf hatte mehr Farbe gewonnen und auch die Burg
selbst ragte nichtmehr so bedrohlich zum Himmel auf. Ich
hatte das warme Bett der Herberge hinter mir gelassen und
durchstreifte das Dorf am frühen Morgen. Eigentlich machte
ich mir keine wirklich Hoffnung Bianca so zu treffen, doch
erneut muss es Schicksal gewesen sein, das ich sie im
Innenhof der Burg sah, wieder am Brunnen. Mit möglichst
eleganten Schritten trat ich heran, setzt mich auf den
Rand des Brunnens und wechselte einige freundliche Worte
mit ihr und ihrer Dienerin. Sie schien mich einfach nicht
zu erkennen. Dieser eine Tag, an dem ich ihr etwas versprach,
es schien als hätte sie ihn vergessen. Ich würde aber ihre
Erinnerungen schon noch wiederbeleben, dessen war ich mir
sicher. Oh, wie sie lächelte. Diesmal fand sie gefallen an
meinen Worten, egal wie belanglos sie waren. Wieder das
Lächeln, doch es berührte mich nicht mehr. Diesmal drang
es nicht mehr bis zu meinem Herzen vor. Der Wall meines
Glaubens erstickte jegliche Gefühle, die sie hätte erzeugen
können. Was ich mache? Ich bin eine Händlerin mit dem Drang
zu Abenteuern. Natürlich wäre ich Euch bereit mehr davon
zu erzählen. Am späten Mittag? Natürlich, Frau von Hochbing.
Nichts würde ich lieber tun, Frau von Hochbing.
Sie musste dieses Leben auf der Burg so satt haben. Hier,
gefangen im kalten Nirgendwo. Es musste ein Traum für sie
sein, einer Ehe versprochen werden, nur um den Reichtum
ihres Vaters zu mehren. Einfach weil sie dann von hier
flüchten könnte und Neues finden. Doch ihre eigene Tragik
wäre, das auch diese neue Welt ihr nicht lange genug bieten
könnte, und sie wieder in den Trist verfallen würde, der
nun herrscht - nur um sich wieder nach Neuem zu sehnen.
Und aus der Langeweile heraus die Bürger zu schickanieren.
Wie sie es damals bei mir getan hatte.

Ich liess mir Zeit und machte den späten Nachmittag zum
frühen Abend. Ich trug mein Schwert an meiner Seite, seit
Iriats Tod hatte ich es nicht mehr gezogen. Aber ich war
zurückgeritten um es zu holen. Es war nicht leicht gewesen,
es aus dem gefrorenen Boden und dem Körper zu ziehen. Meine
braune Lederhose die ich sonst auf Reisen trug, hatte ich
für diesen Abend gegen eine feinere schwarze getauscht. Mein
Oberteil war ein Hemd, eines das Iriat gehört hatte. Ich
hatte auch ihre feinen Kleider mitgenommen, doch wollte ich
vor ihr nicht wie eine weitere Edeldame erscheinen, sondern
wie eine elegante Abenteurerin. Deswegen hatte ich dieses
Hemd gewählt. Ebenso schwarz, doch mit violetten Tüchern
und silbernen Stickerein verziert. Und um meinen Hals trug
ich das Amulett von Iriat, vom Stoff verdeckt. Das Amulett
ist rund, ein grosser Ring, in der Mitte offen. Jedoch mit
einer Frau daran, die sich vor Schmerzen windet. Nicht nur
flach, sondern wie eine kleine Statue aus Metal, und alles
aus einem Stück. Soviele Details, so deutlich und doch so
klein. Immer wollte ich es bei mir tragen.


2.2. Der erste Schritt

"Wenn die Folter dann beginnt,
wenn sie schreit aus vollen Lungen,
wenn das Leben nur so rinnt,
wird der Herrin heilig Lied gesungen."


Als ich losging, hinauf zur Burg, waren meine anfänglichen
Schritte unsicher, doch jeder Schritt stärkte mich. Stärke.
Stärke überwiegte. Es war keine Überwindung, es waren keine
Gedanken darüber notwendig. Nicht mehr. Ich wusste einfach,
das nichts ausser Stärke in dieser Welt bestehen kann. Und
würde ich Schwäche zeigen, würde ich vergehen. Und wäre ich
nicht mehr, wie sollte ich mich dann das Leid über die das
ganze Land bringen, mich an all jenen rächen, die nicht
halfen? So schritt ich zur Burg.

Als ich im Garten der Burg eintraf, waren Bianca und ihre
Dienerin gerade am gehen, wohl im Glauben ich würde nicht
kommen. Aber ich sah ihr erfreutes Lächeln genau, bevor im
nächsten Moment ihr Blick ernst wurde. Für dieses Lächeln,
das Zeichen das sie sich gefreut hat, dass ich doch noch
gekommen bin, völlig egal wie spät - sie musste sich dafür
hassen. Eine kurze Entschuldigung, ich wurde aufgehalten,
dann begann ich mit ihr zu sprechen. Zuerst etwas über die
Burg von Hochbing, dann erfand ich ein kleines Abenteuer
um eine Ortschaft weiter im Süden, sie kannte nichteinmal
den Namen des Dorfes. Wir sprachen noch eine Weile, dann
meinte sie, das Essen zu später Stunde würde anstehen, aber
ich sie würde mich einladen. Ihr Vater und Burgherr würde
sich sicher nicht über eine weitere Dame am Tisch beklagen.

Wäre sie eine Gegenspielerin gewesen, hätte ich ihr zu
diesem geschickten Schachzug gratulieren sollen. Mich in
die eigene Feste locken, die grossen Wände, so erdrückend
sie auch auf mich wirkten, so respekteinflössend - sie
fühlte sich hier zuhause. Wahrlich geschickt. Doch ihren
naiven Gedanken lag dies fern. Sie war keine Gegenspielerin,
denn sie kannte weder das Spiel noch die Spielregeln.
Dann erstreckte sich vor mir der grosse Speisesaal, sofort
als der Burgherr mich erblickte erhob er sich. Es folgten
die üblichen Höflichkeitsformeln. Er erkundigte sich nach
meinem Namen, Myria Crieth. Niemals sollte er diesen wieder
vergessen. Die Frau die ihm die Tochter nehmen würde, er bat
sie zu Tisch.  Bianca erwähnte meine Reisen, ich liess ein
paar Worte fallen und sofort war noch ein Stuhl freigeworden,
um zu Speisen und etwas über mich zu berichten.

Ich erwähnte, im Laufe des Abends, das ich gerne mit Bianca
einen kleinen Ausritt am morgigen Tag machen würde. Sie wäre
eine interessante Gesprächspartnerin und sie würde sicher auch
gerne etwas mehr von meinen Reisen erfahren. Ah, wie sollte
der alte Mann Nein sagen, wenn die wunderschönen Augen seiner
Tochter ihn förmlich darum anbettelten. Wie sollte er wissen.
Nach dem Essen entschuldigte ich mich und zog mich zurück,
ich wollte mir selbst nicht die Chance geben, den guten
Eindruck wieder schmälern zu können.

Der nächste Tag war noch wärmer, ich brauchte nicht mehr
als einen Mantel über meine Gewandung. Direkt nach dem
Mittagsmahl ritt ich zur Burg um Bianca abzuholen. Zu
Verwundung war Bianca auch schon bereit für den Ausritt,
selbst das Pferd stand schon bereit.

So willig, so einfach zu kontrollieren.


2.3. Sieg der Rache

"Sie wollte den Schmerz,
sich nach der Sünde sehnen.
Danach verlangte ihr Herz,
dafür pochten ihre Venen."


Ihr Vater und Burgherr von Hochbing hatte gesagt, wir
sollten Wachen mitnehmen, wenn wir uns weiter von der
Burg entfernen, doch ich versicherte ihr, das wir uns
nicht weit entfernen. Sie schien zwar enttäuscht, aber
keine Wachen dabeizuhauen, war ihr wohl auch lieber.
Sobald wir kurz ausser Sichtweite der Burg, in einem
kleinen Waldstück waren, ritt ich tiefer hinein und
sie folgte mir ohne Widerworte. Wir sprachen die ganze
Zeit über. Über das Leben auf einer Burg kurz, dann
von Reisen und von kleinen Abenteuern. Natürlich hatte
sie bemerkt, das wir uns weiter hinauswagten, ohne
Wachen, wie es der Burgherr vorgeschlagen hatte. Aber
wozu auch? Die Gegend war eigentlich recht sicher und
eine Beschwerde könnte sie vielleicht um ein kleines
Abenteuer bringen, etwas nach dem sie sich sehnte.

Wir ritten durch das kurze Waldstück und dann am Waldrand
entlang weiter nach Südwesten, von der Burg weg. Noch
immer liess ich meiner Phantasie freien Lauf und berichte
von kleine Abenteuern, die es niemals gegeben hatte. Nie
übertrieb ich, sie glaubte mir jedes Wort. Ah, wie sie
mich dafür beneidet haben musste. Wie sie an meinen Lippen
hing, als wären meine Worte ihre Droge. Dann erwähnte
ich, nur um sie zu verletzen, das sie vielleicht mit auf
meine nächste Reise kommen könnte, obwohl ich wusste,
das sie das nicht konnte und sie wusste es ebenso. Und
dieser Gedankengang schmerzte sie, machte sie aber noch
zugänglicher für mich und für mein Vorhaben.

Wir waren vielleicht zwei Stunden unterwegs, wir hatten
beide nicht bemerkt wie die Sonne langsam von Wolken
verdunkelt wurde, als der Regen uns überraschte. Den
ersten paar Tropfen folgte ein Donnergrollen und kurz
darauf kam der Regen mit all seiner Stärke über uns
hinab. Sie drängte mich dazu umzukehren, doch wie konnte
ich diesem erneuten Schicksalswink unbeachtet lassen?
So sprach ich das der Weg zurück zu lange dauern würde
und ich kein Interesse daran hätte völlig durchnässt
wieder vor der Burg zu stehen, doch waren wir vor kurzer
Zeit an einer alten Scheune vorbeigekommen. Diese würde
und Schutz vor dem Regen bieten. Wieso sollte sie mir
auch widersprechen? Wir ritten ein Stück zurück und
anstatt den Weg zurück zur Burg zu nehmen, wendeten wir
uns nach Norden, zu der Scheune dort. Das Haus des
Besitzers, ich denke ich hatte es zuvor am Weg erblickt,
gut eine Meile entfernt.

Wir brachten die Pferde in den hinteren Teil der Scheune
und während ich noch nach einer gemütlichen Sitzgelegenheit
ausschau hielt, gab Bianca ein Niesen von sich. Im Nachhinein
muss ich über meine Worte schmunzeln, denn als ich sagte,
sie müsse aus den nassen Kleidern raus, war ich mir sehr
wohl bewusst, das diese weder völlig durchnässt waren, noch
das es einen Grund gab jene auszuziehen.
Es war nicht mehr relevant, denn ich hatte schon längst
gewonnen und aus diesem Sieg brauchte ich kein Geheimnis
mehr machen. Während sie langsam begann die Schnalle ihres
Umhangs zu lösen, trat ich auf sie zu.

Meine Lippen fanden ihre und verschmolzen zu einem Kuss.
Noch während meine Zunge begann ihre Lippen zu spalten,
drückte ich sie langsam nieder in das Stroh hinter ihr.
Ich liess meine Hände an ihrem Körper hinabwandern und
begann ihre Haut freizulegen. So warm, sie fieberte meinen
Berührungen entgegen. Ich spielte noch etwas mit ihr, dann
zog ich meinen Dolch hervor.


2.4. Des Schmerzes Anlitz

"Ein Hauch von Schönheit,
zu den Lippen so rot.
Und ein Hauch von Leid,
den ich diesen dann bot."


Was muss es für ein Schock gewesen sein, als die Klinge
vor ihr aufblitzte. Es war nicht wirklich Angst, die ich
in ihrem Blick lesen konnte, sondern es war Unverständnis.
Sie konnte nicht begreifen was der Dolch in meiner Hand
machte. Es ergab für sie keinen Sinn, ich bezweifle das
sie im ersten Moment überhaupt verstand was ein Dolch
alles bedeuten könnte - Schmerz, Leid und Tod. Sie hatte
ihn höchstens als eine Gefahr erkannt, zu mehr war sie
nicht fähig in diesem Moment.
Ich hätte alles mit ihr machen können, jeden von meinen
Rachegedanken ausleben. Doch was hätte ich davon gehabt?
Es galt ein Versprechen wahrzumachen und nicht jemanden
zu erdolchen. Ein einfacher Mord ist für einfache Gedanken.

Mein Finger versiegelte ihre Lippen noch bevor sie ein
Wort sagen konnte und ich hauchte ihr ein "Vertrau mir.."
zu. Es reicht um sie halbwegs zu beruhigen und so begann
ich wieder damit ihren nackten Leib zu liebkosen. Meine
Lippen bahnten sich einen Weg von ihrem Hals hinab, über
ihre Brüste, den Bauch hinab zu der Innenseite ihrer
Oberschenkel. Ahh, wie sie vor Verlangen bebte, völlig
gefangen in der Erregung. Sie bemerkte viel zu spät wie
ich begann feine rote Linien über ihren Körper zu ziehen.
Doch selbst als sie es bemerkte, hatte sie schon aufgegeben
und liess sich auf den Wellen der Lust treiben, bereit
alles über sich ergehen zu lassen, solange ich nur die
Zärtlichkeiten nicht einstellen würde.

Was sie an diesem späten Nachmittag lernte, sollte sie
verändern. Ich bezweifle das sie es wirklich verstand,
doch aus Schmerz wurde Lust für sie. Das Ganze war ihr
unbekannt, doch wollte sie mehr davon. Den nächsten
Zehntag lang traf ich mich täglich mit ihr. Jedesmal
versetzte ich sie etwas mehr in den nebligen Zustand,
den Rausch zwischen Lust und Blutarmut. Doch achtete ich
stets darauf das der Schmerz nicht zu kurz kam, ich liess
ihn kaum spürbar beginnen und mit ihrer Ekstase zusammen
erhobt er sich weiter und weiter, bis zu einem blutigen
Höhepunkt. Sie musste sicher Probleme gehabt haben die Narben
davon zu verstecken, und auch musste es langsam verdacht
erregen, dass ihr schönes Gesicht mehr und mehr an Farbe
verlor. Ihr selbst war das egal, sie war mir hörig und
alles in ihrem Leben war unwichtig geworden, im Vergleich
zu mir und den Stunden mit mir. Sie erzählte mir wie farblos
ihr bisherigen Leben nun erschien, doch wie alles aufblühen
würde, mit mir zusammen.

Desto mehr sie sich an mich band, desto öfters wurde ich
kurz abweisend oder demütigte sie etwas, nur um im nächsten
Moment wieder zu Lächeln und sie zu küssen, als wäre
nichts gewesen. Mehr und mehr bemühte sie sich um mich,
und mehr und mehr wurde sie von mir abhängig.


2.5. Das letzte Kapitel

"Der Schmerzen letzter Schrei,
so bittersüss er doch klingt.
Doch ist es längst nicht vorbei,
solange die Seele noch singt."


Bianca drückte ihrem schlanken Körper an mich, dabei blickte
sie mit einem demütigen, verspielten Blick zu mir auf. Mein
kalter Blick veränderte sie sich nicht. Ihr Blick wurde nun
fragend, wieder verstand sie etwas nicht und hoffte darauf
das ich es ihr erklären würde. Ich stiess sie von mir weg, so
stark dass sie stolperte und zu Boden fiel. Wut mischte sich
in ihren Blick. Mit einer Hand stützte sie sich auf, blieb
aber sitzen.

Fast zwei Zehntage waren vergangen, seit dem Ausritt damals.
Es war die Zeit gekommen um es zu beenden. Ich war es leid
die Liebhaberin und Lehrerin für sie zu spielen. Nun wartete
mein Versprechen auf sie, jenes Versprechen das ich ihr bei
unserer ersten Begegnung gab. Ich hatte erreicht was ich wollte
und nur der allerletzte Schritt fehlte. Sie hatte ihre Freuden
von mir bekommen, nun war die Zeit für die meine gekommen.

Ihr Blick war noch immer zu mir hinauf gerichtet. Die Wut in
ihrem Blick flaute langsam wieder ab, die Wut wich der Angst.
Sie fragte sich wahrscheinlich was sie falsch gemacht haben
könnte und was sie tun könnte um sich zu entschuldigen. Närrin.
All ihren Mut hatte sie dann aufgebracht und gefragt, was
passiert sei. Mut? Es war nichtmal eine direkte Frage, sondern
nur ein schwacher Versuch sich an das Thema heranzutasten.

Ich wollte sie bluten sehen, nicht nur ihren Körper. Ich
wollte sehen wie sie zerbricht. Ich wollte sie leiden sehen,
mehr als jeder körperliche Schmerz sie hätte leiden lassen
können. So lange hatte ich darauf hingearbeitet - nun war
die Zeit gekommen.

Jedes meiner Worte war wohl überlegt, jedes gezielt. Ich sagte
ihr, dass sie mich enttäuscht hätte, dass sie eine Enttäuschung
wäre. Das ich meine Zeit nicht länger mit ihr vergeuden würde.
Ihre Worte darauf glichen einem Betteln, während sie in Tränen
ausbrauch. Sie wolle sich mehr anstrengen, sie würde doch alles
tun was ich sagen würde. Und dann diese Bitte, zu bleiben, weil
sie ohne mich nicht sein könnte.

Ihre Tränen bahnten sich einen Weg über ihr Gesicht, immerzu.
Wie gerne hätte ich davon ein Bild malen lassen, um mich an
diesen Augenblick zurückzuerinnern und ihn mit anderen zu teilen.
Der Wortwechsel verlief nochmals nach dem selben Muster wie
zuvor. Zwischendurch hatte sie aufgehört zu weinen, schluchzte
aber immernoch. Das alles war zu viel für sie. Sie konnte es
nicht verstehen.

Nicht nur der Mittelpunkt ihres Lebens, ich war ihr Leben selbst
geworden. Ohne mich bestand es nicht, ohne mich hatte es keinen
Sinn für sie. Ihr Leben war so unbedeutend, ohne mich. Ohja,
selbst die Liebe hatte sie mir gestanden. Dies alles nahm ich
ihr nun, ich nahm ihr das Leben ohne sie dabei auch nur zu
berühren. Meine Stimme wurde lauter und lauter, Gewalt mit
Worten - anders möchte ich es nicht beschreiben. Jedes ihrer
Worte, jedes Geheimnis das sie mir anvertraut hatte wurde zu
einer Waffe für mich. Immerwieder versucht sie mit der Person
zu sprechen, die ich vorgegeben hatte zu sein. Sie hoffte auf
mein Verständnis, immerhin war ich doch die einzige Person,
die sie wirklich verstand. Sie hoffte auf mein Mitgefühl, das
hatte ich doch immer gezeigt. Sie hoffte auf mein Interesse
an ihr, deswegen war ich doch hier geblieben. Oder?
Ich legte es sogar darauf an das sie es sagte. Das sie nicht
ohne mich sein könnte. Das ich sie lieber töten sollte, als
einfach von ihr zu gehen. Ahh, länger konnte ich es nicht mehr
hinauszögern, die Zeit zum Gehen war gekommen.

Ich zog meinen Dolch und warf diesen neben sie. Sie blickte
mich mit einer Mischung aus Sehnsucht und Hass an, doch ich
drehte mich mit einem selbstgefälligen Lächeln weg und ging
aus dem Raum heraus. Ich konnte noch hören wie sie wieder zu
weinen begann, so jämmerlich.






3) Epilog
3.1. Was danach geschah


"Das Stück war nun Vergangenheit,
der Vorhang war längst zugezogen.
Zurück liess ich nur das Leid,
denn ich hatte damals nicht gelogen."


So wurde das Versprechen wahrgemacht, dass ich ihr einst gab,
dass sie ohne mich nicht mehr sein könnte, dass sie mich darum
bitten würde sie zu töten, anstatt von ihr zu gehen. Es war der
erste Schritt zu meiner Rache und doch der Wichtigste zugleich.
Mein Leben zerfiel zu Ruinen und auf diesen Ruinen hat Iriat
ein neues Leben für mich aufgebaut, das nur erneut zerfiel.
Nun habe ich mich von diesen Ruinen verabschiedet, auf ihnen
wird nichts mehr aufgebaut werden, das wieder zerstört werden
könnte. Niemals wieder. Doch nicht nur das ich die Vergangenheit
hinter mir gelassen habe, auch habe ich etwas gewonnen. Ich
habe die Vergeltung für mich gewonnen, die Herrin selbst.

Als ich das Zimmer der Herberge verlassen hatte, und gerade
zwischen Stall und Herberge stand, geschah es. Ein kalter Wind
umfing mich und etwas zwang mich hinab auf die Knie. Mein Körper
war nicht in der Lage sich auf den Beinen zu halten, denn ich
war von einer Präsenz überwältigt, die ich nicht in Worte fassen
kann. Der kalte Wind, er trug die Stimme meiner Herrin das erste
Mal an mein Ohr. Jedes ihrer Worte war eine zärtliche Liebkosung
und doch einer kalten Klinge gleich. Ich war von ihrer Worten
so gefangen, wie Bianca in meinen Berührungen gefangen gewesen war.
Sie gewährte mir meine Bitte und liess mich an die Stelle von
Iriat Crieth treten, um fortzuführen was sie begann und um meine
Rache in ihrem Namen zu nehmen. Der Preis, und das stand ausser
Frage, war mein Leben.

Nichts, dass ich nicht bereit war zu geben.

Es war etwa zwei Stunden später, als ich wieder kam. Ich holte
mir den Dolch wieder, er war ein weiteres Erbstücke von Iriat
und niemals hätte ich ihn hier zurücklassen können. Biancas
Blut sollte die Klinge nicht länger als notwendig beflecken.
Ich hatte in der Zwischenzeit meine Sachen gepackt und das
Pferd fertig machen lassen. Eines war nämlich völlig sicher,
hier war ich nicht mehr länger willkommen. Für mich war die
Zeit gekommen meine Reise fortzusetzen, südlich von hier wartete
das Gefolge von Iriat, das nun auf sich selbst gestellt war. Ich
würde ihnen die Nachricht des Todes überbringen und dann meinen
Weg ohne sie fortsetzen.


3.2. Abschliessende Worte

"Des Dichters feine Feder,
sie bleibt hier gänzlich aus.
Kein Reim ist noch zu finden,
nach des Schicksal blutig Ende."


Gefühle? Sicher, ich konnte mich jenen nicht völlig entziehen,
wie auch, mit einer nackten Schönheit in meinen Armen oder zu
meinen Füssen. Doch waren sie nie wichtig. Nie mehr als nettes
Beiwerk, nie relevant. Zeitweise so sehr im Hintergrund, dass
ich es nichteinmal bemerkte. Was mich anspornte, dass war die
Macht. Die Kontrolle über sie. Meine Vergeltung an ihr, den
bitteren Schmerz, den ich in ihrem Gesicht sah. Ihre Erkenntnis,
über die Schwäche und Unwichtigkeit, die ihr Leben darstellte.
Gerne würde ich schreiben, das ich ihr einen Gefallen getan
habe und sie aus ihrem tristen Dasein bereit, doch auch dies
war nie relevant. Es ging mir um nicht mehr als Rache, ohne
Gnade und ohne Zweifel. Man schaue auf zur Göttin, frei von
Emotionen, so unendlich rein. Selbst die Flamme der Rache bringt
sie mit eiskalter Grausamkeit. Vergeltung ist was sie antreibt
und Vergeltung ist was mich antreibt. Mein Ziel ist es den
Schmerz zu verbreiten, die ganze Welt daran teilhaben zu lassen.
Ist dies nicht auch ihr Ziel? So habe ich von der Meisterin
selbst gelernt, Emotionen sind nicht mehr als ein Werkzeug.

Ihr Tod? Vielleicht wäre er nicht notwendig gewesen. Ich hätte
sie auch in ihrem Elend liegen lassen können, ihren Schmerz
in die Länge ziehen, bis sie mit der Zeit darin zu Grunde geht,
denn gebrochen hatte ich sie schon und niemals wieder hätte sie
sich aus dem Leid erhoben, wie ich es getan hatte.
Aber sie war schwach, so unendlich schwach. Keine Disziplin,
keine Kontrolle über sich selbst. Und die Qual wie sie starb,
es war ein Loblied an die Herrin, ihre Tränen die Melodie und
ihre Schreie die Verse des Schmerzes.
Vielleicht war es nicht notwendig gewesen, aber einen Fehler
habe ich nicht begangen, denn ich wurde erwählt. Es war nur
ein Leben, eine einzelne Schwäche, die am Leid zerbrach.
Nichts, das von Bedeutung ist.

Freude? Über was sollte ich mich freuen? Es bleibt allein das
Wissen, das die Herrin mir zur Seite stehen wird, in meinem
Rachefeldzug durch diese Welt. Der Tod, er ist ein Teil des
Weges. Ein Mittel, manchmal notwendig, manchmal gewünscht, doch
niemals ist er das Ziel oder ein Grund zur Freude für mich.
Wenn ich einem Narren, einem Ketzer oder einem Diener des
Gebrochenen den Tod bringe, dann tue ich es ohne Reue, ohne
Skrupel und ohne zu zögern. Sie verdienen es. Ich kann mich
an ihrem Leid laben, ihr Schmerz kann mich berühren.
Aber Freude, Freude kann ich nicht aus ihrem Tod gewinnen.

Die Erwählung? Es war meine Bitte an die Göttin, an die Stelle
meiner Mentorin treten zu dürfen. Es war meine Bitte, das Leid
in die Welt zu tragen, die zu zerschlagen, die es nicht ertragen
können und jene darin zu ertränken, die es am stärksten trifft.
Und diese Bitte wurde mir gewährt, gab mir Kraft und meinen Sein
wieder wahren Sinn. So vieles in meinem Leben war notwendig,
damit ich diesen Punkt erreiche, doch arbeitete alles daraufhin.
Vielleicht war der Zweck meines Lebens, das ich in der Göttin
Namen Leid bringe, oder vielleicht ist dieser Gedankengang falsch.
Der Wunsch den Schmerz über sie zu bringen, über alle die nicht
verhinderten das mein Leben zertreten wurde, bleibt am Ende.

Ende.


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PS: Myria ist hetero. In diversen Situationen entscheidet sie sich aber bewusst einem universellen Konzept der "Liebe" zu folgen, wie es z.B. auch in den Romanen von Anne Rice zu finden ist. Nicht das man noch denkt..

Myria Crieth

#6
Zwischen Schmerz und Verlangen von Myria Crieth (01.06.2005)


Der einfache Mann, er lebt in einer grauen Welt. Einst,
in seiner frühen Kindheit, hatte die Welt noch Farben
für ihn. Doch diese sind längst vergessen. Und er hat
sich daran gewöhnt. Er hat vergessen wie es war, als die
Welt noch Farben hatte. Er glaubt, das er sie immernoch
sehen kann, doch blieben ihm nur matte Schatten, der
einstigen Pracht. Und mit jedem Tag versinkt seine Welt
etwas mehr in das Grau.

Mein Handeln für die Maid ist nicht leicht zu verstehen,
doch bin ich es die Licht ins Dunkel trägt, ich bin es,
die dem Tod neues Leben schenkt und ich bin es, die der
Welt die Farben bringt. Ich bin eine Göttin des Lebens,
die durch diese traurige Welt wandelt. Durch den Schmerz
bringe in denen die Freuden, die Farben, die sich danach
sehnen, und erlöse die, welche an der Erkenntnis scheitern.

Es reicht ein Schnitt, und das Leben selbst zeigt sich
mir in einem wundervollen Rot, das ich mich darin verliere,
überwältigt sterbe und in meinen Gedanken neu geboren
werde. Je tiefer der Schmerz, desto heller die Farben,
die sich mir offenbaren. Ein Schrei vor Schmerz - so laut -
er stählt meine Sinne, er betäubt mich und er weckt mich
wieder. Wie eine Hand die näher kommt, das Tuch von meinen
Augen nimmt und mich aus der erdrückenden Dunkelheit
hinaus ins Licht zieht, voller Klänge. Die Liebkosung
der Peitsche, ein Schlag, ein Kitzeln, ein Brennen auf
der Haut, lässt meine Sinne Alarm schlagen, schwächt mich,
nur um mich danach noch stärker zu machen.
Verlangen, geboren im Schmerz, ein Anfang im Ende selbst.

Dort wo sich Leid und Leidenschaft treffen, miteinander
verschmelzen, wie Dunkelheit und Licht, Leben und Tod,
dort zwischen Schmerz und Verlangen wird das Leben in
höchster Heiligkeit zelebriert und geehrt.
Dort, zwischen Schmerz und Verlangen, wandle ich.

Myria Crieth

#7
Elemente des Leids von Myria Crieth (24.07.2004, 25.05.2005, 21.11.2006)

Jede der drei Peinformen stellt einen Teil der Stimme Loviatars dar:

Da wäre die Peitsche, sie stellt die Lippen Loviatars dar,
welche die Worte des Schmerzes formen. Ihr Sinnbild und ihre Waffe,
ihr Zeichen und Instrument. Mit nichts anderem lässt sich die Musik
von Loviatars Gnade so herbeizaubern, wie mit der Peitsche.

Die Peitsche steht für die Sterblichkeit und für die Endlichkeit,
ebenso wie für Macht und Dominanz. Sie ist der weltliche Anker im
Glauben Loviatars, und doch doch die höchste Form des Glaubens. Sie
steht für all den körperlichen Schmerz, der das Leben um uns herum
durchzieht und uns leben lässt.

Schon immer war die Peitsche ein Symbol der Macht, mit dem die Starken
die Schwachen angetrieben haben. Sie stellt die Grenze dar, die man
überwinden muss. Die Peitsche ist die älteste Form der Bestrafung,
sie lehrt gehorsam und bringt Stärke hervor.

Die Peitsche ist die erste Peinform von Loviatars Stimme.

Da wäre das Eis, dessen kalter Biss den Mund und die Zähne
Loviatars wiederspiegelt. Und jenes Eis ist es, welches die Stimme
der Maid selbst durchzieht. Jenes Eis ist der kalte Wind, der uns
umgibt, wenn die Maid uns erhört.

Die Worte der Göttin sind wie das Eis selbst, klar und deutlich,
wunderschön und doch so schmerzhaft kalt. Etwas das sich durch
den ganzen Glauben an die Maid zieht, schmerzhafte Wahrheit.
Eis stellt die kalte Perfektion der Herrin da, frei von Gefühlen
die den Blick auf die Wahrheit trüben könnten. Unendliche Reinheit.
Das Eis steht für die Erkenntnis über den Schmerz des Lebens.

Man sagt dem Eis Grausamkeit nach, was auf Grund von Aurils Schaffen
kaum verwundern wird. Das Eis nimmt keine Rücksicht auf das Leben.
Ohne Mitleid, ohne Erbarmen breitet es sich stetig aus und nimmt
alles in seine kalten Klauen, den Tod bringend.
Wie das Eis vergisst auch Loviatar nichts. Ihre Vergeltung ist
ebenso sicher wie gnadenlos.

Das Eis ist die zweite Peinform von Loviatars Stimme.

Da wäre das Feuer, welches die Zunge Loviatars ist, mit der
sie zu uns spricht. Das Feuer stellt die Leidenschaft dar, die Lust
ihrer Lehren und auch die Vergeltung und Rache die sich gewährt.

Und wie eine Zunge umspielt das Feuer das Leben, leckt darüber hinweg
in seiner unendlichen Gier und verschlingt alles in seinem Weg. Doch
wer das Feuer für die dunkle Maid wie eine Waffe schwingen will, der
darf jedoch nicht unkontrolliert die Wut und die Gier des Feuers wüten
lassen. Stärke zeigt sich in der Beherrschung, nur wer über sich und
die Folter herrscht, kann das Leid bis zur letzten Grenze anschwellen
lassen und der Göttin Ehre durch seine Tat bringen.

Es ist das Feuer, das hoch lodert, wenn die Göttin zur Vergeltung ruft,
und sie ist die, die niemals vergisst. Der Feuersturm ihrer Rache kommt
einem Inferno gleich, das jeden Zweifel an ihr verbrennt. Doch ist es
das gleiche Feuer das die Wunden ausbrennt, wenn ihre Gnade einen
umfängt. Es ist das Feuer das reinigt und befreit. Und es ist auch
jenes Feuer, das das Herz eines jeden umfängt, wenn die Leidenschaft
wie eine Stichflame empor schiesst. Die Hitze dieses Feuers ist auch
der heisse Atem auf der Haut und die Lust die einen durchströmt wie
das Blut in den Andern.

Das Feuer ist die dritte Peinform von Loviatars Stimme.

Im Glauben Loviatars trifft das Eis auf das Feuer, die Gegensätze,
die reine Kälte und die loderne Flamme der Leidenschaft. Und dort
liegt die Wahrheit von Loviatars Glauben versteckt, im Gleichgewicht
von heiss und kalt, von Leben und Tod. Im Schmerz.

Myria Crieth

#8
Zyklus des Schmerzes I
- die Geschichte von Rimon Stahlherz
(5.12.2006)


Der Schrecken hielt ihn starr zwischen scharfen Klauen, seine einzige Bewegung war das panische Zittern seines Körpers. Unkontrollierbar, durch Hass, durch Lust, durch Angst und durch Schmerz geschaffen. Die einst so schönen dunklen Augen spiegelten nurnoch den Terror wieder, der sich in ihm festgebissen hatte - nichts von deren Schönheit war geblieben. Doch in seinem Blick fand sich noch etwas anderes, darin spiegelte sich einen Teil seines Gegenübers wieder; zwei rote Lippen. Sie formten Worte, eine Warnung, doch er konnte sie nicht hören, denn seine eigenen Schmerzensschreie waren zu laut, voller Pein, überschlugen sich, raubten ihm die Sinne. Doch bevor ihn das unendliche Schwarz einholen konnte, vernahm er noch ein leises, fast schon liebevolles Flüstern: "Der Kreis schliesst sich, Rimon."
Dann endete sein Traum.


Inhalt:
1. Der Troll
2. Falks Jagd
3. Ewiges Eis
4. Konsequenzen



Kapitel 1: Der Troll

Krak! Mit einem Donnern spaltete sich das Stück Holz in zwei Teile. Mit einem leisen Grunzen beugte er sich hinab, um einen weiteren Holzscheit auf den Baumstumpf zu legen, die Axt lässig in der zweiten Hand. Die Sonne hatte ihren Höhepunkt schon lange erreicht und drohte bald schon wieder hinter den Hügeln zu versinken. Ihm lief der Schweiss über den freien Oberkörper, während seine Muskeln sich ein weiteres Mal anspannten, um die Axt hinabfahren zu lassen - Krak! Ein Anblick, der wohl die Blicke vieler Frauen gefangen hätte, würde er nicht alleine hinter einem alten Rasthaus vor sich hinarbeiten. So bezahlte er für seinen Schlafplatz und eine warme Mahlzeit. Auch wenn die Nachmittage noch warm waren, wurden die Nächte hier im Norden schon kalt genug und er nutzte jede Gelegenheit nicht im Freien schlafen zu müssen. Und das obwohl er gerade erst Secomber, die Grenzstadt zwischen den eher friedlichen westlichen Ländern und dem rauen Norden, hinter sich gelassen hatte. Sein Weg würde ihn noch weiter in den Norden führen, auch wenn er zu diesem Zeitpunkt noch nicht hätte erahnen können, wie weit. Eigentlich hatte er seinen ehemaligen Mentor Falk Weissfurt in Lautwasser treffen sollen, doch dort angekommen fand er nur die Nachricht vor, weiter nach Mirabar zu reiten, um ihn dort zu treffen und falls möglich Falk schon auf dem Weg dorthin einzuholen.
Rimon kannte Falk Weissfurt schon seit seiner frühsten Kindheit, ein alter Freund seines Vaters. Damals wurde er sein Schüler und Falk sollte ihm nicht nur Mentor, sondern auch ein zweiter Vater werden. Und damals sah er hinauf zu Falk als ein Vorbild, ein Held aus den Sagen, ein Ritter in strahlender Rüstung, der sich dem Bösen entgegen stellt. Nun hatte sich etwas zwischen Beiden verändert, denn nun waren sie fast ebenbürtig; auch er war nun ein Streiter Tyrs. Krak! Nicht das ihm das eine besondere Hilfe beim Holzhacken wäre.

Die Sonne hatte sich schon zur Hälfte hinter dem Wald versteckt, um die kleine Siedlung in sanfte Pastellfarben zu tauchen. Wobei das Wort Siedlung wohl übertrieben ist, für das Rasthaus und eine Hand voll Holzhütten. Er hatte die Axt bereits weggeräumt und das Holz gestapelt, und war nun dabei sich mit einem Eimer Wasser zu waschen, den die Tochter des Wirtes ihm gebracht hatte. Während er sich den Schweissfilm vom Körper wusch, betrachtete er sein Spiegelbild im Wasser. Das kurze blonde Haar, die dunklen braunen Augen und seine markanten Gesichtszüge. Die kleine Narbe am Kinn, die Bartstoppel entlang zum Ohr. Dabei erinnerte er sich, was seine Mutter ihm als Kind sagte. Das seine Augen sein grösstes Potential wären; verstanden hatte er es natürlich erst Jahre später, als die Mädchen begannen ihm nachzuschauen und schüchtern seinen Blicken auszuweichen.

Die Tochter des Wirtes, die gerade eine Mahlzeit für ihn aus der Küche holte, schien seinen Blick dagegen eher zu suchen. Es war wenig los im 'Goldenen Hufeisen', ausser ihm waren nur zwei weitere Gäste im Schankraum. Ein Bauer, oder Handwerker, kräftig gebaut mit kurzem schwarzem Haar und dessen Sohn oder Lehrling, um die vierzehn Sommer alt, kurzes rotes Haar und viele Sommersprossen. Der Schankraum war aber gross genug, dass er dem Gespräch der beiden nicht folgen konnte. Das ganze Rasthaus war aus massivem Holz. Der Tresen befand sich gegenüber des Eingangs im Osten, an der rechten Seite fand sich ein grosser Kamin wieder und auf der Linken die Treppe zu den Zimmern auf den höheren Stockwerken. Die Wände wurden alleine von einigen Wagenrädern und Hufeisen geziert.
Alles in allem sehr gemütlich und warm. Und das Essen war gut - so hoffte Rimon zumindest.
Nach der harten Arbeit, könnte ein gutes Essen ihn noch weiter von seinen Gedanken abhalten. Es ist ein merkwürdiges Gefühl, wenn man versucht zu vermeiden, dass die eigenen Gedanken abschweifen. Hin zu den Träumen, die ihn seit einiger Zeit begleiteten. Doch Rimon war sich sicher, dass er bald einen klaren Kopf brauchen würde. Falk hätte nicht nach ihm geschickt, hier im Norden, wenn es nicht wichtig wäre - oder vorallem gefährlich.
'Gute Nachrichten können nur besser werden,' war eine von Falks Weisheiten die er sich eingeprägt hatte 'die Schlechten werden dagegen nur noch schlechter'. Es war eine der Weisheiten die er versucht hatte zu widerlegen, nur damit das Leben selbst Falk Recht gab mit der Zeit. Probleme lösen sich nicht von alleine, man muss sich um sie kümmern oder sie werden immer schwerer - eine Lektion die er bitter lernen musste. 'Die unschönen Erfahrungen prägen sich meist am Besten ein.' war eine andere Weisheit.

"Habt ihr es gehört?" Er blickte auf, in ein paar grosse graue Augen, die seinen Blick für einen Moment gefangen hielten. Zwei gelockte Strähnen ihrer Haares fielen über die glatte Haut, ihre restliche Mähne war zu einem Zopf auf ihren Rücken verbannt. Das unsichere Lächeln gehörte Annia, der Tochter des Wirtes, nur wenige Jahre jünger als er selbst.
"Bitte?" "Ob Ihr von dem Troll gehört habt!" antwortete Annia ihm sofort, während sie ihm eine Suppe hinstellte, zusammen mit zwei dicken Brotscheiben und einem Becher Wein. "Welcher Troll?"
Scheinbar hatte sie nur auf diese Frage gewartet, denn ihre Antwort kam aus ihr heraus einem Dammbruch gleich. "Der riesige Eistroll! Gross wie ein Haus und so stark wie ein Drache! Er soll vom Grat heruntergekommen sein, weil es dort keine Beute mehr gab, um seinen Hunger zu stillen!... und nun, nun jagd er nachts in den Dörfern des Nordens! Schmalfeld soll er schon verwüstet haben!" Während ihre Stimme immer dramatischer wurde, hätte er sich fast gefragt ob sie nicht irgendwann Luft holen müsse. Aber er erinnerte sich grob daran Schmalfeld auf einer Karte gesehen zu haben, etwa zwei Tagesritte entfernt, wenn er einen kleinen Umweg nehmen würde. Doch die tiefe Stimme des Wirtes riss ihn aus weiteren Überlegungen. "Hör auf den Gästen Angst einzujagen, Annia! Vorallem nicht mit solchen Märchen." Protestierend setze sie an "Aber...!" "Kein aber, Schluss damit!" "Vielleicht bleibt er ja hier und beschützt uns vor dem Troll!" Doch die Geduld des Wirtes schien am Ende und er trat hinter dem Tresen hervor, woraufhin seine Tochter sofort verstummte.
"Schmalfeld, also?" brach Rimon die Stille.

***

Während der Morgen noch dämmrig war, trieb er sein Pferd schon mit gutem Tempo voran. Wenn Falk von dem Troll gehört hatte, war er vielleicht auch dort. Falls nicht wollte er die verlorene Zeit mit diesem Tempo ausgleichen. Am ersten Tag begegneten ihm keine anderen Reisenden. Er war auch nicht mehr auf der Hauptstrasse, sondern folgte dem Pfad nach Schmalfeld. Somit war dies nichts ungewöhnliches, bedenkt man das dort ein Monster wüten soll. Sein Weg führte durch ein kleines Waldgebiet, ein Ausläufer des Hochwaldes, genannt 'Flüsterwald'. Den Name hatte sich der 'Flüsterwald' verdient, als dort zwei Geschwister verschwunden sind und man nachts angeblich hören kann, wie sie flüstern - oder so ähnlich das lokale Märchen. Rimon zumindest hörte niemanden flüstern, genoss jedoch den Ritt durch den herbstfarbenen und äusserst idyllischen Wald. Gegen Abend führte ihn der Pfad durch ein kleines Tal und gleichzeitig zu einer Feuerstelle, deren Glut noch warm war. Er schätzte, dass der Lagerplatz vor einigen Stunden erst verlassen wurde. Wohl nach einer Rast und einem warmen Essen. Die Spuren deuteten auf zwei Berittene hin. Der Streiter beschloss die warme Glut, und vorallem den Lagerplatz zu nutzen, um dann am nächsten Morgen wieder in der Frühe weiterzureiten nach Schmalfeld.

Er fand sich vor einem zugefrorenen Berg wieder, der bis zu den Wolken hochreichte. Fels und Eis wechselten sich in einem chaotischen Muster ab, teils verdeckt von Schnee. Die Wolken am Himmel waren gräulich verfärbt und Rimon erkannte sofort das sich ein Sturm zusammenbraute. Vor sich konnte er eine schmale Treppe erkennen, in den Fels geschlagen. Die Stufen hatten Risse, waren krumm und glatt. Ein Blick genügte, um den Aufstieg als gefährlich zu erkennen. Hinter ihm ragte der dunkle Wald drohend empor und er überlegte ob er die Stufen erklimmen sollte. Ein Flüstern war seine Antwort, getragen vom kalten Wind, das Flüstern eines Mädchens - oder einer jungen Frau?
"Du bist schon längst dabei, Rimon." Er blickte hinter sich und sah einige hundert Meter hinab, die Stufen hinter sich. Dann blickte er hinauf, der Gipfel immernoch ein vielfaches weiter entfernt. "Und wieso sollte ich hinauf wollen?" Mit dem kalten Wind kam das Flüstern wieder. "Weil es dein Weg ist. Du gehst ihn, Stufe für Stufe hinauf, mit jedem Augenblick der vergeht."
Erst jetzt bemerkte er, dass er sein Schwert gezogen hatte. Sein Blick glitt über die mit Schnee und Eis bedeckten Felsen, nach einem Feind suchend. Er fand keinen, doch die Stimme fand ihn. "Bald wirst du es brauchen," seine Augen fixierten die Stufen vor ihm, welche mit Blut verklebt waren "wenn ich Dich holen werde, Rimon."


Er riss die Augen auf und sein Körper schoss nach oben, Schweiss bedeckte seine Stirn. Die Atmung war unregelmässig und einen Moment lang suchte sein Blick hektisch das Zwielicht um sich herum ab, bevor sein Verstand einsetzte und ihm klar wurde das es ein Traum gewesen sein musste. Wieder ein Traum.

Nach nur einer Stunde hatte er bereits den Wald verlassen, noch immer war die Sonne nicht aufgegangen und sein Pfad trug ihn durch das kalte Zwielicht des Morgens. Vor ihm erstreckte sich Hügelland mit vereinzelten Häusern und Feldern. In der Ferne konnte er am Hang des Berges ein Dorf ausmachen - Schmalfeld.

Es dauerte noch einige Zeit, bis er die ersten Häuser erreicht hatte. Mittlerweile hatte Selunes Licht bereits den Himmel erobert, auch wenn es kühl blieb. Auf den ersten Blick schien Schmalfeld nicht den Eindruck zu machen, als hätte dort ein Troll gewütet. Jedoch konnte er es spüren, die Angst und die Spannung, die in der Luft lag. Keine Bauern waren auf den Feldern und Fensterläden schlossen sich als er an den Häusern vorbeiritt. Zwischen den Häusern konnte er einen Korb erkennen, halbvoll mit Kartoffeln, ebenso eine Schaufel und wenig später auch eine Mistgabel. Alles beiseite geworfen, als ein Reiter erspäht wurde und man sich in die Häuser geflüchtet hatte.
Erst als er am Dorfplatz, ein grösserer freier Platz um den Brunnen im Zentrum, angekommen war, sah er den Grund für die Panik der Einwohner.
Zwei Häuser am Rande des Waldes waren stark beschädigt. Beim ersten war die Türe aus den Angeln gerissen und ein Pfosten der das Vordach stützen sollte war auseinander gebrochen, woraufhin dieses herunter gestürzt war. Seitlich war ein Loch in die Wand gerissen, als hätte etwas grosses, kräftiges einen weiteren Eingang oder Ausgang gebraucht. Obwohl man an einigen Stellen die Erde umgeworfen hatte und versucht das Blut mit Sand von den Brettern zu reiben, hatte er keine Probleme das Blut zu erkennen, welches im und um das Haus geflossen war. Das zweite Haus daneben war halb heruntergebrannt, nur schwarze Reste einer Steinwand standen noch.
Während Rimon vom Pferd stieg und beginnen wollte das Haus zu inspizieren, hörte er Schritte. Als er sich umdrehte, sah er eine Gruppe Männer auf sich zukommen - mit blankem Stahl in den Händen.
Alle der sieben Männer trugen leichte Leder- oder Kettenrüstungen und einfache Waffen; Kurzschwerter, Äxte oder Keulen. Er musterte die Gruppe noch einen Moment lang, bevor er ihnen entgegen trat. Die Hälfte von ihnen waren eher Kinder als Männer. Sieben Gegner sind selbst für einen erfahrenen Kämpfer eine hohe Zahl, dessen war sich Rimon bewusst, auch wenn keiner einzeln eine Bedrohung dargestellt hätte. Trotzdem verfluchte er sich, das er nur einen leichten Lederpanzer trug und nicht seine Plattenrüstung. Ein robust gebauter Mann, einige Sommer älter als der junge Streiter selbst, mit einem Schwert in der Hand, nahm seinen Mut zusammen und trat vor mit den Worten "Was sucht Ihr hier, Fremder." Obwohl es eine Frage war, klang es ganz und garnicht so. "Meinen Gruss an Euch," setzte Rimon an und deutete eine Verbeugung an, wodurch er seine Hand neben den Schwertgriff plazierte "ich hörte von einem Troll." "Was er nicht sagt!" rief ein junger Mann mit einem Speer in der Hand und ging wütend auf Rimon zu, die Anderen rückten sofort nach. Erst die Worte des Anführers brachten die Gruppe zum stehen, keine fünf Schritt vor Rimon, der den Wunsch sein Schwert zu ziehen mühsam unterdrücken musste. "Wartet." "Wieso Johas? Wir sollten ihn aus der Stadt prügeln!" "Wir können nicht jeden Besucher der Stadt davonjagen, Denith." Denith, der junge Mann mit dem Speer, war zwei oder drei Sommer jünger als Rimon. Kräftig gebaut, mit kurzem roten Haar. "Besucher! Pah! Räuber und Aasgeier!" Mit diesen Worten sprang er nach vorne, an Johas vorbei, und stach mit seinem Speer nach Rimon. Der Speer hätte Rimons Brustkorb durchbohrt, hätte Denith getroffen. Doch der Angriff war viel zu vorhersehbar und unkontrolliert, um dem Streiter Tyrs gefährlich zu werden. Während er sich zur Seite drehte um den den Stoss auszuweichen, packte er den Speer mit beiden Händen am Holzschaft und zog daran. Denith hatte sein ganzes Gewicht in den Angriff gelegt, verlor das Gleichgewicht und stolperte nach vorne in Rimons Faust.
Die restliche Miliz hielt einen Moment erschrocken inne, alle Blicke auf den am Boden liegenden Denith gerichtet, bevor sie auf Rimon losstürmen wollten. Doch als sein Langschwert mit einem Surren aus der Schwertscheide glitt, verspürte keiner mehr das Verlangen als Erster anzugreifen, nach der kurzen Demonstration. Rimons Herz hämmerte gegen seinen Brustkorb, doch er musste die kurze Pause nutzen und so erhob seine Stimme so stolz wie es ihm möglich war "Mein Name ist Rimon Stahlherz, Streiter im Dienste Tyrs. Ich bin gekommen um den Troll zu finden und zu richten." Einen Moment lang schweifte sein Blick über die jungen Gesichter, die nun deutlich Zweifel und Unsicherheit zeigten. Er beschloss die Situation mit etwas Strenge in die Hand zu nehmen. "Und jetzt senkt Eure Waffen und ihr," ein Nicken zu Johas "erklärt mir was das hier sollte!"

Es sollte sich herausstellen das wirklich ein Eistroll Schmalfeld attackiert hatte und die Miliz ihn nur unter schweren Verlusten vertreiben konnte, nachdem sie selbst ein Haus in Brand gesetzt hatten. Seitdem herrschte absolute Paranoia im Dorf. Nachdem das vierzehnte Grab am nächsten Morgen ausgehoben worden war, nur verständlich - immerhin hatte Schmalfeld keine siebzig Einwohner.
Noch bevor es Mittag wurde, trieb er sein Pferd weiter. Noch weiter von seinem eigentlichen Ziel entfernt. Johas, so hatte sich der vom Troll beförderte Anführer der Miliz vorgestellt, hatte davon berichtet das man in Burg Steinstolz, einen Tagesritt gen Nordosten, Männer für eine Jagd nach dem Eistroll suche. Auch wenn er Falk dort nicht treffen würde, sah er es als seine Pflicht zu helfen. Schon alleine zum Schutz der Jäger, welche höchstwahrscheinlich weniger Kampferfahrung als er selbst haben würden. Jedoch beunruhigte ihn die Geschichte von Johas sehr, denn er selbst hatte schonmal einen Troll bekämpft und dieser war keine vier Schritt gross gewesen.

***

Das Zwielicht hatte seine Arme um das Land gelegt und die dunklen Mauern der Burg ragten bedrohlich in die kommende Nacht hinein. Fackelschein tauchte Fenster und den Innenhof der Burg in sanftes Orange und auch das Dorf Steinfels, am Fuss des Hügels, war in Fackelschein getränkt. Schon aus der Ferne konnte man die Musik hören, Gesang und Gelächter und Flöten, Trommeln und Geigen. Er konnte Figuren ausmachen, die um die Feuer tanzten, um die Wette tranken und sogar Kinder die spielten. Doch er selbst nahm den Weg zur Burg, ohne auch nur in die Nähe des Dorfes zu kommen.

Am geöffneten Tor der Burg standen zwei Wachen, die jedoch, ohne auch nur Blicke zu tauschen, nickten und Rimon passieren lassen wollten. Doch er brachte sein Pferd zum stehen und erkundigte sich was gefeiert würde und ob man den Troll schon erlegt hätte. Die eine Wache, ein Mann der sicher schon seine dreißig Sommer gesehen hatte, trat vor und erklärte ihm den Brauch von Steinstolz Kämpfe zu feiern, bevor diese ausgetragen sind. So hätten auch jene etwas davon, die den Sieg nicht miterleben würden. Morgen, mit den ersten Sonnenstrahlen beginne aber die Jagd. Mit einem Wort des Dankes stieg er vom Pferd und führte dieses in die Burg. Der Stalljunge war nicht zu finden, also band er die Zügel im Stall fest, bevor er den Burgherr aufsuchte. Er selbst trug eine braune Lederhose, dazu einen leichten Lederpanzer mit der Waage Tyrs auf die Brust gestickt. Sein Schwert an der Seite, trat er in den Innenhof der Burg und liess seinen Blick über die Anwesenden schweifen. Der gigantische Tisch, den man aufgebaut hatte, war kaum noch besetzt. Die Meisten der gehobenen Gesellschaft fand man auf Bänken sitzend wieder oder standen in kleinen Gruppen zusammen. Hinter einem Torbogen, dort vermutete er den Garten der Burg, hallte ein helles Lachen einer jungen Frau hervor das sich einige Momente über die Musik des Dorfes, welches bis zur Burg drang, und dem Gesang des Bardens vor Ort, erhob. Er selbst war nicht der einzige leicht Gerüstete. Einige der Herren trugen sogar reich verzierte Brustpanzer oder ebenso leichte Rüstungen, während die Damen durchweg in feine Kleider gehüllt waren. Über hundert Männer und Frauen hatte er alleine im Blickfeld, der Troll hatte wohl genug Adlige angelockt die ihren Teil oder ihre Jäger beisteuern wollten.
In der Menge hatte er gerade einen Mantel mit dem viereckigen Felsen, dem Emblem von Steinstolz, ausgemacht und wollte darauf zusteuern als das Gesicht einer Frau plötzlich die Sicht versperrte. Sein Blick traf auf zwei klare blauen Augen, die seinen Blick erwiderten. Lange geschwungene Wimpern dazu, helle Haut, unbedeckt zu den Schultern hinab, darüber das schwarze Haar, dessen Strähne sich hinabschwang um dort aufzuhören, wo die Linien des Ausschnitts begannen. Jedoch war sein Blick auf die roten Lippen gerichtet, deren helle Stimme sich an ihn richtete. "Euch muss ich beim Bankett übersehen haben. Mit wem habe ich die Ehre?" "Mit Rimon Stahlherz, M'lady."
"Rimon," sie liess den Name über ihre Zunge gleiten, als wäre dies der Name eines Liebhabers "kein Name aus dem Norden. Woher kommt Ihr, Rimon?" Er setzte ein Lächeln auf und hielt ihr seinen rechten Arm hin, "aus Cormyr, der Name jedoch kommt aus Tethyr." Ihre Hand auf seinem Arm begannen sie sich in Bewegung zu setzen "Ein edler Ritter, der sich auch dem Troll entgegenstellen möchte?" Ein Wimpernschlag, die Zeit stand still. "Rimon?" "Verzeiht, ich war in Gedanken. Doch ja, der Troll lockte mich nach Steinstolz." Als er den Troll erwähnte, begann sein Blick über die Adligen zu schweifen, an denen sie vorbeigingen. Er konnte den Burgherr nicht mehr finden. "Dürfte ich auch den Euren Namen erfahren, M'lady?" "Bianca. Nennt mich Bianca, Rimon."

Bianca war relativ gross gewachsen, nur etwa einen Kopf kleiner als Rimon selbst. Langes schwarzes Haar, das den halben Rücken hinabfiel. Ein langes Kleid, in violett und silber, das die Figur betonte. Selbst so spät in der Nacht noch freie Schultern, die Haut so hell, so unschuldig. Ihre glatten Züge machten es schwer das Alter zu schätzen, doch Rimon ging davon aus das sie einige Jahre älter als er selbst war. Ihre Art und die Wortwahl gaben ihm dafür die Hinweise. Er war nur zu gerne bereit die Unhöflichkeit, den Burgherr nicht seine Ankunft zu melden, auf sich zu nehmen. Dieser hatte sicher schon mehr als genug Begrüssungen hinter sich für einen Tag. Rimon war sich nicht sicher wieviel Zeit vergangen war, Bianca hatte ihm zuerst einige weitere Gäste vorgestellt und ihn dann in den Garten geführt. Dort, an einem kleinen Teich auf dessen schwarzer Oberfläche sich Mond und Fackellicht vermischten, drehte sie sich ihm zu und fragte "Glaubst du an Schicksal, Rimon? Oder an Korvikoum?" Er runzelte die Stirn, "Ich denke das wir nicht jeden unserer Wege bestimmen können, vielleicht kann man dies Schicksal nennen. Aber Korwikum sagt mir nichts." "Korvikoum ist ein Wort der Zwerge. Das Wort steht für Handlung und Konsequenzen. Man hat immer eine Wahl und bestimmt sein Schicksal, die Konsequenzen somit selbst." "Das sind weise Worte, Bianca. Mein Mentor pflegte zu sagen das Männer, die bereit sind Entscheidungen zu treffen und zu handeln, die Welt vor der ewigen Nacht beschützen. Viele von ihnen sehen dies aber als ihr Schicksal." "Laut Korvikoum muss man dafür die Konsequenzen tragen."
Er hatte bereits den Mund geöffnet um Bianca etwas zu entgegnen, als ein klares Kichern durch die Luft drang und sie sich umwandte. Rimon drehte sich ebenso, um zwei weitere Personen im Blickfeld zu haben. Auf ein Mädchen, oder eher schon eine junge Frau, von der das Kichern ausgegangen war, fiel sein Blick zuerst. Schulterlanges, gelocktes Haar, feuerrot und dazu stechende blau-grüne Augen. Sie war über einen Kopf kleiner als Bianca, und weit zierlicher. Ihr Kleid war bestückt mit Schleifen, die sie sicher noch ein weiteres Jahr jünger wirken liessen. Hinter ihr stand ein Mann in einem Anzug, ohne grosse Verzierungen. Seine Haltung, die Hände hinter dem Rücken, liessen ihn sofort wie einen Diener wirken. Er hatte die dreissig Sommer deutlich überschritten und sein leicht gebräunter Kopf war kahl geschorren, auch wenn schwarze Punkte einen Haaransatz andeuteten. Seine Figur war drahtig und die Haltung aufrecht, wobei sich in den dunklen grünen Augen ein berechnend intelligenter Blick lag, unter dem sich Rimon unwohl beobachtet fühlte.
Biancas helle Stimme wandte sich an die junge Frau. "Charis, ich darf dir vorstellen," und ihre Hand führte eine geschwungene Bewegung aus in Rimons Richtung "Rimon Stahlherz, ein mutiger Streiter aus Cormyr. Er wird morgen den Troll erlegen." Dann wandte sie sich wieder an Rimon, während Charis einen Knicks machte "Meine lebensfrohe Cousine, Charis." "Es ist mir eine Ehre, M'lady." und er deutete eine Verbeugung an, woraufhin Charis verlegen lächelte. Doch dann wieder Biancas Stimme "Cled," wohl an den Diener gewandt "ist es soweit?" Der Diener, Cled, nickte nur ruhig. "Dann sehen wir uns am morgigen Tag, Rimon. Ich hoffe ihr vergesst mich nicht." "Niemals, Bianca. Eine geruhsame Nacht, die Damen." Mit einem Lächeln wand sich Bianca ab und ging Richtung Torbogen des Gartens. Charis und Cled folgten ihr einen Moment später. Rimon blieb noch eine Weile am Teich stehen, ihre Worte über das Schicksal und Korvikoum hatten ihn nachdenklich gestimmt.

***

Er hatte die ganze Nacht noch über ihre Worte nachgedacht, doch am nächsten Morgen waren sie verflogen. Eine Jagd und ein Kampf standen an, er brauchte einen klaren Kopf. Der Burgherr hatte im Zwielicht des Morgens eine Hand voll Jagdgruppen losgeschickt, welche die Fährte aufnehmen sollten. Wenn diese dann Bericht erstatten würden, zog die Gruppe von fast zwanzig erfahrenen Rittern und Kriegern mit einigen Fährtenlesern los und würde den Troll zur Strecke bringen. Rimon war in dieser Gruppe, als Streiter Tyrs war er dort gerne gesehen. Er trug seinen polierten Plattenpanzer, seinen Schild mit der Waage Tyrs darauf und sein verzaubertes Langschwert, dessen Griff im Kopf eines Adlers endete. Ein Priester Tyrs hatte es gesegnet vor langer Zeit und jeder Streich des Schwertes richtete über die Seele seines Gegners. Einjeder der vom Bösen angetrieben wird, würde von Tyrs heiliger Kraft gerichtet. Er hatte damit schon Schilder und Brustpanzer durchschlagen, als wäre es Leinenstoff.
Die ganze Gruppe hatte Fackeln dabei, auch er hatte eine an seinem Sattel befestigt. Nur Feuer kann einen Troll vollständig töten. Als schliesslich die Späher berichteten das sie eine frische Fährte gefunden hatten, blickte er sich ein letztes Mal um. Bianca hatte sich den Morgen über nicht gezeigt, zu seiner Enttäuschung. Dann stieg Rimon auf sein Pferd und ritt zum Tor. Zeit den Jäger zum Gejagten zu machen.

Der Weg führte von der Burg aus nach Westen, etwa zwei Stunden bis zu dem Lagerplatz der Späher. Einige Hunde waren an einen Baum gebunden und zwei der Männer warteten an einem kleinen Feuer, gerade dabei gebratenen Fisch zu essen. Sie erklärten das zwei weitere den Spuren folgen würden, somit kamen sie auf dreiundzwanzig Mann mit den fünf Spähern. Rimon hatte keine Zweifel das dem Terrorfeldzug des Trolls ein Ende gesetzt werden würde, egal ob er wirklich vier Schritt hoch war oder nicht. Einer der Späher erklärte das ihr Anführer, ein Waldläufer namens Tarnis, momentan den Troll weiterverfolgt. Das Verhalten des Trolls sei äusserst merkwürdig. Seine Spuren wären sehr zielstrebig, als wäre er absichtlich nach Schmalfeld gekommen und gehe nun gezielt auf etwas im Westen zu. Soweit sah Rimon dabei nichts besonderes. Diesen Tag würde der Troll sowieso nicht überstehen.
Nach zwei weiteren Stunden, hatten sie Tarnis und den anderen Späher eingeholt. Tarnis stellte sich als nicht gerade gesprächig heraus. Oder freundlich. Er gab präzise Anweisungen und knappe Antworten. Tarnis Züge waren spitz und die Ohren ebenso, Rimon schätzte ihn als Halbelf ein. Langes schwarzes Haar und eine schmale Figur. Jedoch machte er einen professionellen Eindruck und schien sein Handwerk zu verstehen. Die Fährte des Trolls hatte sich in einem Fluss verlaufen, und die Späher waren dort so lange beschäftigt gewesen die Fährte wieder aufzunehmen, das die Gruppe mit Rimon aufholen konnte. Eine halbe Stunde flussaufwärts, Richtung Norden, konnte Tarnis die Fährte wieder aufnehmen und es ging weiter nach Westen. Rimon unterhielt sich die Zeit über mit Lord Plyton, ein Paladin im Dienste von Lathander. Ihm unterstanden die achtzehn Männer aus Steinstolz. Er war hoch gewachsen, fast auf gleicher Höhe mit Rimon und die breiten Schultern und kräftigen Arme zeigten das er nicht sein ganzen Leben lang den Titel Lord mit sich getragen hatte. Halblanges braunes Haar und ein ehrlicher Blick rundeten den stolzen Anblick von Lord Plyton ab und flössten ihm einen natürlichen Respekt ein. Wobei der riesige Zweihänder auf dessen Rücken wohl auch seinen Teil dazu beitrug.
Mittlerweile stand die Sonne schon hoch am Himmel und einer der Männer, ein Nordmann der sich ebenso unabgängig wie Rimon gemeldet hatte und vom Burgherren akzeptiert wurde, bemerkte das man bald eine Rast einlegen müsse, auch den Tieren zuliebe. Doch Lord Plyton bestand darauf weiterzureiten als Tarnis meinte das der Troll nicht mehr weit entfernt sein könne.

Es war keine halbe Stunde vergangen, als Tarnis ausgesandter Späher wieder zur Gruppe stiess. Er hatte sein Pferd so hart zurückgetrieben, das er selbst erst durchschnaufen musste, bevor er aufgeregt davon berichtete was er gefunden hatte. Rimon verstand nur immerwieder das Wort "Blut", war aber auch ein gutes Stück entfernt. Lord Plyton orderte das die Männer sich kampfbereit machten, dann folgte man dem Späher einen Hügel hinauf zu einer grossen freien Fläche mit Feuerstelle und einer Höhle. Der Platz war getränkt in Blut, das Lager wirkte hastig verlassen. Einige Waffen lagen herum und die Feuer brannten noch niedrig. Plyton befahl den Männern den Hügel zu sichern, während er mit Tarnis und einigen Männern die Höhle erkundete. Schliesslich gab er bekannt das es der Lagerplatz von einer Gruppe Orks gewesen sei. Tarnis schätzte die Anzahl Anhand der Spuren auf fast vier dutzend. Es gab keine Zweifel, das die Gruppe, falls man in die Orks laufen würde, mit diesen fertig werden würde. Aber dies würde Zeit und Kraft kosten, beides brauchte man für den Troll.
Die Spuren des Trolls waren ebenso frisch wie die der Orks und beide führten in die gleiche Richtung. Tarnis konnte nicht sagen wer wen jagte, schickte aber zwei Späher hinterher. In keiner ganzen Stunde, laut der Schätzung des Waldläufers, würden sie es sicher wissen.

Die Gruppe ritt an einem Hang entlang, braunes Laub bedeckte den Weg und den Hang der sich jeweils etwa hundert Schritt bergaufwärts und bergabwärts erstreckte. Die ganze Gruppe schwieg, niemand sprach mehr ein Wort, der Stahl blank. Der Pfad führte den Hang um den halben Berg entlang, bevor er schliesslich flacher wurde so das man ihn erklimmen könnte. Tarnis hatte sich von der Spitze der Gruppe zurückfallen lassen, zu Plyton und Rimon, um die Stille zu brechen.
"Irgendetwas stimmt hier nicht." Lord Plyton entgegnete ihm "Inwiefern?" "Es liegt in der Luft, Frek und Kalms", die Namen der beiden Späher, "haben sich nicht zurückgemeldet." Im gleichen Moment rief der Ritter der nun an der Spitze der Gruppe ritt laut "LORD!" Bevor Lord Plyton antworten konnte, hörte man das Surren eines Pfeils, der den Halsschutz des Ritters durchschlug und ihn vom Pferd warf. Der Fall schien sich ewig hinzuziehen, der Mund zu einem Schrei, der nie kommen sollte, aufgerissen. Die Zeit schien für Rimon stillzustehen für mehrere Augenblicke, dann brach die Hölle los. An der Spitze des Hügels tauchten mehrere Orks auf und liessen Pfeile auf die Reiter hinabfliegen, während sowohl hinter als auch vor der Gruppe Orks angerannt kamen, jeweils ein dutzend, einjeder davon mit einer Axt oder Keule bewaffnet. Jeder trug eine Rüstung, einige sogar Kettenpanzer.
Die Reiter rissen ihre Schilde nach oben, Lord Plyton seinen Zweihänder, welcher begann in einem gleissenden Licht aufzuleuchten. Rimon riss sein Pferd herum, um der Gruppe, welche sich hinter die Trolljäger geschlichen hatte, entgegen zu reiten, an seiner Seite waren noch drei Reiter. Er preschte direkt in die Orks hinein, eine Axt und einen Speer mit dem Schild blockend, bevor seine Klinge Fleisch fand und einen Orkarm vom Körper trennte. Jedoch konzentrierten die Orks sich zuerst nicht auf die Reiter, sondern erschreckend gezielt auf die nicht oder nur leichten gepanzerten Pferde. Neben sich sah er das Pferd unter dem ersten Ritter zu Boden sinken, obwohl er nicht darunter begraben wurde, wäre er niemals rechtzeitig hochgekommen um sich zu verteidigen. Doch der zweite Ritter trieb sein Pferd vor ihn, um ihn so die nötige Zeit zu verschaffen um auf die Beine zu kommen, dabei steckte er aber eine tiefe Wunde am Oberschenkel ein. Rimon selbst kämpfte einige Augenblicke mehr darum sein Pferd nicht zu verlieren, als die Orks zu töten, bevor ihn zwei gezielte Hiebe, und zwei tote Orks, genug Freiraum schafften um sich einen Moment umzuschauen.
Der Hang war nicht weniger schwer umkämpft, Lord Plyton kämpfte seinen Weg fast alleine am Rand des Hanges entlang auf einen orkischen Schamane zu, aus dessen Hand sich ein weiter Blitz löste um einen Reiter vom Pferd zu werfen. Tarnis war nicht zu sehen und viele der Ritter waren ebenso schon zu Fuss unterwegs. Der Kampf wendete sich aber gegen die Orks. Zufrieden schwang er sein Langschwert wieder und blockte mit dem Schild die Axt eines Orks, woraufhin sich Metal verbog und der obere Teil des Holzes absplitterte - er bedankte sich mit einem Schwertstoss hinab in den ledrigen Hals.

Ein lautes Brüllen liess Rimon für einen Moment zusammenzucken, selbst der Ork, der gerade seine Keule zum Angriff erhoben hatte, hielt inne. Aus dem Augenwinkel nahm Rimon noch einen Schatten wahr, dann traf ihn etwas an der Seite und warf ihm vom Pferd. Der Eistroll, mit vier Schritt ziemlich gut geschätzt, stand zwischen den Rittern und packte den ersten wie ein Kind um ihn das Genick zu brechen. Sein ganzer Körper war von bläulichem Leder bedeckt, weisse Streifen zierrten das hässliche Gesicht, aus dem zwei Hörner hervorragten, wie Kriegsbemalung. Ein weisses Fell war um seine Lenden gewickelt als einzige Kleidung und eine Kette aus Menschenschädeln um den Hals sein einziges Schmuckstück. Die Orks, nicht nur um Rimon herum, brachen in Jubelgeschrei aus. Rimon hörte noch Plyton Befehle brüllen, bevor sein Aufprall, einige Schritt von seinem Pferd entfernt, ihm die Luft aus den Lungen nahm und für einige Augenblicke jegliche Geräusche verbannt waren. Schmerz kroch seinen Rücken entlang wie eine feurige Schlange und er brauchte zwei Versuche um auf die Beine zu kommen. Der Troll hatte im Kampf gegen den zweiten Ritter einige Schnitte eingesteckt, dieser lag aber gebrochen vor dessen Füssen. Ein blutiger Fleck dort wo sein Gesicht hätte sein müssen. Die Orks hatten den dritten Ritter überwältigt und rannten an Rimon vorbei, ihn ignorierend, um den verbleibenden Männern aus Steinstolz in den Rücken zu fallen, während der Troll auf Rimon zustampfte. Ihm blieb keine Zeit über einen Plan nachzudenken, die Faust des Untiers flog auf ihn zu, grösser als sein Kopf und er riss seinen Schild nach oben. Der metallverstärkte Schild hielt dem Schlag stand, doch einen Moment lang war Rimons Arm taub. Anstatt einen Gegenangriff anzusetzen, sprang er ausser Reichweite, und warf einen kurzen Blick nach hinten.
Lord Plytons Schwert war vom Blut des Schamanen getränkt und er bahnte sich einen Weg den Hang wieder hinab, auf den Troll zu. Blut lief aus seinem goldenen Schulterpanzer hervor und er hatte einen Schnitt an der Stirn. Die anderen sahen sich nun zwischen zwei Fronten eingeklemmt, aber der Kampf wäre noch nicht verloren gewesen, wäre da nicht der Troll.
Als der Troll zum nächsten Hieb ansetzte, sprang Rimon direkt zurück, doch die Schnelligkeit der Bestie überraschte ihn - der Troll folgte ihm mit zwei schnellen Schritten und packte Rimons Schild und riss es ihm vom Arm. Die Lederriemen gaben einen Moment später nach und der Schild flog den Hang hinab. Rimon nahm sein Schwert in beide Hände, sprach ein Stossgebet an Tyr und tänzelte zur Seite. Unter dem schwinger mit der linken, bläulichen Faust duckte er sich hinab, drehte sich dann zur Seite um dem Schlag der rechten Trollfaust zu entgehen, bevor er seine Klinge aus der Drehung heraus in die Seite die Trolles fliegen liess. Ein langer breiter Riss und eine gebrochene Rippe an der Seite des Trolls waren die Ergebnisse. Auf seiner Klinge mischte sich Ork- mit Trollblut. Der Troll brüllte seinen Schmerz in den Abendhimmel hinauf, Rimon machte einige Schritte zur Seite, aus der Reichweite des Trolls heraus, während er erneut ausholte. Ein Troll bleibt ein Troll, Fokus Rimon! Sagte er sich selbst und setzte einen Fuss etwas zurück.
Im nächsten Moment sprang der Troll auch schon nach vorne, mit beiden Armen nach Rimon zu schlagen, wutentbrannt. Diesmal drehte sich der Streiter Tyrs zur anderen Seite um sein Schwert in den Oberschenkel des Untiers zu rammen, bevor er sich unter dem nächsten Hieb wegduckte und seine Klinge am Arm des Eistrolls entlang gleiten zu lassen. In diesem Augenblick passierten zwei Dinge. Zum einen sah Rimon das der Schnitt an den Rippen des Trolls schon geheilt war und nurnoch Blut auf bläulicher Lederhaut von einer Verletzung erzählte. Zum anderen zerschmetterte eine gigantische Faust seinen Brustkorb und er sah die Bäume an sich vorbeifliegen, auf seinem Weg dem Hang hinab. Die Welt der Schmerzen, welche sein Körper geworden war, färbte sich erst rot vor seinen Augen, dann schwarz als sein Kopf versuchte den Fall an einem Baum zu verlangsamen. Entfernt, wie der Ruf aus einer anderen Welt, hallte noch ein "Für den Sonnenaufgang! Für Lathander!" Dann endete diese Welt für ihn.



Kapitel 2: Falks Jagd

Rimon hatte kaum noch Kraft sein Schwert zu halten, er spürte wie das Blut eine Bahn seinen Arm hinab, über die Hand auf den Schwertgriff zog. Sein Brustpanzer war eingedellt, aufgebrochen und in ein tiefes Rot getränkt. Sein Kopf fühlte sich komisch an, brennend, Feuchtigkeit am Hinterkopf. Die Felsen um ihn herum waren mit mit Eis überdeckt. Die Stufen, vor ihm in den Fels geschlagen, endeten einen Schritt weiter. Obwohl er versuchte sein Schwert mit aller Kraft in der Hand zu halten, hatte er das Gefühl das es langsam aus seinem Griff gleiten würde. Der kalte Wind brannte auf seiner Haut, und die Stimme der jungen Frau hallte in seinen Ohren, als sie mit ihm sprach "Ich hatte Dich gewarnt, Rimon." Seine Zunge fühlte sich trocken und geschwollen an, als er antwortete "Du kanntest den Weg, das Blut war schon auf den Stufen, bevor ich dort ankam." "Man hat immer die Wahl, Rimon, nur muss man für die Konsequenzen dafür tragen." "Korvikoum?" Stille war seine Antwort. Das Eis kroch zwischen seine Finger, jeden Moment würde sein Schwert zu Boden fallen. Er hatte Angst vor diesen Moment. Er hatte geschworen Tyrs Lehren der Gerechtigkeit mit seinem Schwert zu verteidigen, bis er es nicht mehr halten kann. "Wenn ich eine Wahl habe, dann kann ich auch jetzt wählen?" Der Drang zusammenzubrechen, auf die Knie zu fallen, das Schwert loszulassen war überwältigend, doch er widerstand ihm. Rimon konnte nicht, wollte nicht gehen. Nicht so, nicht hier. "Antworte mir!" Sein rechtes Beim gab nach, seine Schwertspitze kratzte über den Stein bis hin zur nächsten Stufe und er stützte sich darauf. Tränen hatten sich gebildet, gefroren und keinen Fingerbreit von seinen Augen entfernt. Dann entwich die Kraft aus seinem anderen Bein und er begann zu fallen, tiefer und tiefer hinab in das dunkle Nichts.

Die Stimme, diese erkannte er. Kein kalter Wind. Die zarte Berührung seiner Wange. Verschwommen vor ihm ein Gesicht, doch er wusste wer es war. Korvikoum. Obwohl er kaum mehr als einen Kopf mit langen schwarzen Haaren ausmachen konnte, sah er wie sich zwei rote Lippen bewegten. Er wollte die Hand heben, doch sein Körper verweigerte die Bewegung und bestrafte ihn mit Schmerzen. Er wollte etwas sagen, doch seine Lippen bewegten sich nicht. Ihre Finger auf seiner Stirn, eine zärtliche Berührung, ein Kribbeln, Schmerz. Schmerz, der wie eine Welle über seinen Körper hereinbrach und er konnte wieder fühlen. Das pochende Brennen an seinem Hinterkopf, der unterträgliche Schmerz in der Magengegend, die gebrochenen Rippen. Leben! Gebrochene Knochen fanden wieder zusammen, Fleisch begann sich zu regenerieren. Seine Finger schlossen sich und er fühlte den Griff des Schwertes noch immer in seiner Hand. Rimon holte tief Luft, dann wurde es wieder schwarz um ihn.

Als er die Augen wieder öffnete, sah er wieder ein verschwommenes Gesicht und lange schwarze Haare. Doch als sein Blick sich klärte, blickte er in das kritische Gesicht von Tarnis. Im nächsten Moment huschte ein bitteres Lächeln über das Gesicht des Halbelfen und er dreht den Kopf bergaufwärts. "Hier ist er." Rimon konnte Stimmen hören, sie aber nicht sofort einordnen und versuchte aufzustehen. Dabei glitt sein Blick an seinem Körper entlang. Blut bedeckte seine Rüstung, seinen Arm und den Boden neben ihm. Sein Blut. "Nicht bewegen!" In diesem Moment konnte Rimon die Schuldgefühle in Tarnis Blick erkennen. Der Waldläufer war der Meinung das es seine Schuld war, dass er den Hinterhalt hätte erkennen müssen. Aber Rimon zwang seinen Oberkörper nach oben und versuchte sich hochzuziehen, Tarnis war sofort an seiner Seite und half ihm. Einen Moment starrte der Halbelf dann auf seinen Hinterkopf und an ihm hinab. Bevor der Waldläufer fragen konnte erklärte Rimon "Ich weiss es nicht." Ein Nicken und Tarnis gab sich damit zufrieden. Rimons Blick wanderte den Berg hinauf zu einer Gruppe Reiter und er hörte eine vertraute Stimme "Du hast mir schon Sorgen gemacht!" Mit einem Lächeln auf den Lippen ging er Falk entgegen.

Es sollte sich herausstellen das Plyton den Rückzug befohlen hatte und Tarnis mit einem Zauber Ranken um die Beine des Trolls geschlungen hatte. Trotzdem hatte die Gruppe zehn tapfere Männer verloren. Auf der Flucht trafen diese dann auf Falk Weissfurts Gruppe: Zwei Paladine und zwei Streiter Tyrs. Nachdem die Verletzten grob versorgt waren, machte man sich sofort zurück auf den Weg zum Schlachtfeld und fand eine Meile weiter das orkische Lager. Der Troll hatte sich scheinbar zum Häuptling erklärt und das Blut im verlassenen Orklager war das des alten Häuptlings gewesen. Diesmal mit der Überraschung auf der eigenen Seite fielen die Ritter in das Lager ein und machten vergleichbar kurzen Prozess mit den Orks und auch dem Troll. Wobei dieser noch einen Ritter töten konnte und einen von Falks Mitstreitern schwer verwundete. Als Rimon weder unter den Gefallenen gewesen war, noch ein Gefangener, war man zum Schlachtfeld zurückgekehrt und hatte begonnen das Umfeld nach ihm abzusuchen.

"Wir machen uns auf den Rückweg zur Burg" gab Lord Plyton bekannt, während er den Sack mit dem Trollkopf an seinem Pferd festband. "Wir müssen ablehnen, Aehnys. Wir sind nicht für den Troll gekommen, sondern jagen jemanden, der seinem gerechten Urteil entfliehen will. Und höchstwahrscheinlich den Eistroll losgelassen oder sogar kontrolliert hat." "Ich verstehe. Lasst Eure Klingen den Dank von Steinstolz und mir sprechen, wenn es so weit ist." Falk nickte, dann "Pass auf Dich auf, Aehnys." "Du auch, Falk." "Wir ziehen weiter, auf die Pferde!"
"Lord Weissfurt?" Etwas überrascht blickte dieser in Tarnis elfische Gesichtszüge. "Ich biete Euch meine Dienste an." Ein prüfender Blick, "Was verleitet Euch dazu? Unser Weg könnte noch weit sein." Tarnis verzog das Gesicht einen Moment lang, bevor er antwortete "Es ist persönlich.. geworden." Statt den Halbelfen weiter zu drängen, nickte Falk nur "Wir reiten los."

***

Falk hatte sich seit dem Abschied vor einem Jahr kaum verändert, das braune Haar von grauen Strähnen durchzogen, die seinem Anblick noch stolzer und edler machten. Natürlich trug er seinen Plattenpanzer, mit goldenen Linien verzierrt und den Anderthalbhänder auf dem Rücken. Neben Tarnis und Rimon, waren noch zwei Paladine und ein weiterer Krieger in Falks Gruppe.
Lord Leyn Thober war ein alter Freund von Falk und Rimon hatte sich auch schonmal mit ihm unterhalten. Der Paladin lag vom Alter zwischen Falk und Rimon, hatte aber entgegen Falk schon graues Haar. Seine Statur war trainiert, aber nicht sehr breit. Trotzdem trug er bei sich einen zweihändigen Kriegshammer mit der Waage Tyrs darauf. Die Bahn des Hammerkopfes war jedoch keine glatte Fläche sondern mit robusten Metalstacheln versehen. Eine wirklich tötliche Waffe und höchstwahrscheinlich auch entsprechend verzaubert.
Der andere Paladin war etwa in Rimons Alter, wohl ein oder zwei Sommer jünger. Kurzes blondes Haar, sehr kräftigt gebaut mit breiten Schultern und einem aufrichtigen Blick. Eliras Hochschild war der Sohn einer adligen Familie aus Cormyr, ebenso ehrgeizig wie gläubig.
Das letzte Mitglied der Gruppe war ein ruhiger Mann einige Sommer älter als Rimon. Sein Gesicht war wettergegerbt und seine Kettenrüstung schwarz, während der Rest der Gruppe, bis auf Tarnis, helle mit Gold verzierte Plattenrüstungen trug. Nach einiger Zeit stellte er sich als Firen vor, sprach auch die meiste Zeit nichts. Er trug an seiner Seite eine Axt mit einigen Scharten.

Während des Reitens klärte ihn Falk über die Situation auf. Er hatte von einigen Morden in der Gegend von Lautwasser gehört, die ihn an eine Begegnung aus der Vergangenheit erinnerten. Rimon beliess es dabei, als er erkannte das Falk das Thema aus der Vergangenheit nicht aufgreifen wollte. Er hatte sofort einige Männer gesammelt, Rimon eine Nachricht geschickt und war nach Lautwasser aufgebrochen. Dort angekommen, fand er einige Spuren und die Jagd begann. Rimon hatte ihn überholt, weil Falk der Spur durch diverse kleine Dörfer gefolgt war. Falk war einen Tag nach Rimon in Steinstolz eingetroffen und war sofort den Trolljägern hinterher. Das Ziel seiner Jagd war eine Priesterin, die rituelle Morde im Namen von dunklen Göttern beging. Kein ganzer Tag Vorsprung, mit etwas Glück würden sie die Priesterin im nächsten Dorf, Scellis, einholen.

Als die Gruppe am nächsten Mittag eine Rast einlegte und mit dem Essen begann, erhob der sonst so schweigsame Firen seine Stimme. "Wie habt ihr eigentlich den Fall überlebt?" seine stechenden grauen Augen fixierten Rimon bei den Worten. In aller Ruhe nahm Rimon noch einen Biss von seinem Stück Käse, während er die Antwort überdachte. Schliesslich richtete er seine dunklen braunen Augen auf Firen, "Ich weiss es nicht." Nach dieser Antwort konnte er das Misstrauen im Blick der grauen Augen sehr eindeutig erkennen. "Ihr wisst es nicht? Habt ihr Eure Rüstung gesehen? Das Blut als man Euch fand? Ihr seid trotzdem unversehrt, während zwei dutzend Männer tot oder verletzt waren?" "Firen." Falks Stimme unterbrach ihn wie ein Hammerschlag, doch Rimon antwortete trotzdem. "Glaubt mir oder tut es nicht. Ich hatte einen Traum, der mich zurück in mein Leben führte, mehr weiss ich auch nicht." Er sparte sich den Teil über Bianca. Wie sollte sie ihn gefunden haben? Es muss auch ein Teil des Traumes gewesen sein oder eine Einbildung zwischen den Schmerzen. Man sah Firen an, dass er sich mit der Antwort nicht zufrieden gab, doch Falks strenger Blick hinderte ihn deutlich erkennbar an weiteren Worten.

Als Selunes Licht vom Himmel sank und Shars Dunkelheit sich schleichend ausbreitete, führte Tarnis die Gruppe vom Weg ab in ein kleines Waldstück, zu einem Fluss. Während die Pferde ihren Durst stillten, teilte Falk Eliras, Firen und sich selbst für die Wache ein. Tarnis hatte ein Feuer entzündet und Leyn Thober begann eine alte Geschichte zu erzählen, als er und Falk noch jünger waren. Sie waren damals Gäste in einem kleinen abgeschiedenen nordischen Dorf gewesen, das wenig mit der ihnen bekannten Kultur zu tun hatte und Falk hatte es geschafft die Tochter des Stammeshäuptlings zu beleidigen, indem er den Heiratsvorschlag des Häuptling abgelehnt hatte. Als Ergebnis sollte er am nächsten Morgen Opfer einer rituellen Jagd werden, bei der man ihn nackt in den Wald geschickt hätte, hätte Leyn ihn nicht befreit. Rimon hatte bereits Falks Version der Geschichte gehört und nach kurzer Zeit schlief er neben den Feuer ein, in seine Decke gehüllt.

Das Licht stach wie Schwerter durch die Fenster der alten Kathedrale und schnitt helle Flecken auf die hölzernen Sitzbänke. In den Lichtstrahlen tanzten kleine Staubflocken empor und liessen das Gewölbe zeitlos erscheinen. Kein Windstoss und kein Geräusch war zu finden, alleine das Knarren des alten Holzes unter seinen schweren Stiefeln drang an sein Ohr. Der Geruch und der Geschmack des alten Bauwerkes erfüllte seine Sinne, der Blick streifte über die alten Schriftrollen an den steinernen Wänden. Dort waren ruhmreiche Taten, alte Gesetze und Geschichten aus längst vergangenen Tagen festgehalten, ebenso wie die Versprechen und Gelöbnisse von tapferen Männern. Sein Schwur sollte sich heute zu ihnen gesellen.
Rimons dunkle Augen fixierten den majestätischen Altar vor sich. Es war nicht Prunk und Vermögen, welchen jenen so majestätisch erscheinen liessen. Es war die schlichte Form, der makellose Stein, aus dem der Altar geschliffen wurde. Das einfache rote Seitentuch darüber konnte er kaum erkennen, denn das Licht aus dem grossen Fenster hinter dem Altar blendete ihn fast und umschlang die Statue Tyrs davor in einer Korona aus Sonnenstrahlen. Diese optische Illusion gilt als Meisterwerk des Baumeisters, der diese Kathedrale ohne Magie, Stein um Stein von Hand errichten liess. Angeblich hat er feine Kristalle in das Glas einarbeiten lassen, die das Sonnenlicht in sich binden und so das Fenster nach innen aufleuchten lassen, als würde die Sonne direkt hindurch scheinen.
Direkt vor den Stufen des Altars angekommen, zog Rimon langsam sein Schwert hervor. Der Kopf eines Adlers zierte den Schwertknauf und die Parrierstange war geformt wie zwei Flügel. Das Licht glitt gleißend über die polierte Klinge. Es war das Schwert seines Vaters, das Erbstück der Familie. Bis zu diesem Tag, hatte er es noch nie in den Händen gehalten. In einer langsamen Bewegung sank Rimon auf ein Knie hinab und legte das Schwert waagrecht vor sich. Als er den Kopf senkte, konnte Rimon die Bewegung des Priesters ausmachen, der um den Altar herumtrat und die Treppen hinab stieg. Er wusste was dieser bei sich trug, ohne es zu sehen. In der einen Hand eine Kerze, in der anderen die Verse des Schwurs. Rimon hatte sie selbst darauf geschrieben, Zeile für Zeile. Das Pergament war dick und nur so breit wie vier Finger, dafür einen halben Schritt lang. Der Priester würde jeden Vers vorlesen und Rimon würde jeden einzelnen davon wiederholen. Am Ende der Zeremonie würde der Priester ihm das Pergament an den Schulterpanzer halten und mit dem Kerzenwachs daran befestigen, um den Schwur zu besiegeln. Und Rimon würde sich erheben als Streiter Tyrs.
Dies war sein Tag, er war dabei in die Fußstapfen grosser Helden treten. Sein Weg im Namen von Gerechtigkeit und Wahrheit würde heute beginnen. Der Priester hatte seine Einleitung bereits gesprochen und Rimon konzentrierte sich ab jetzt zuzuhören, denn nun war er an der Reihe die Verse zu wiederholen, welche nun folgen würden. Nicht das er sie nicht auswendig kennen würde.
Der Priester erhob seine kräftige Stimme und begann laut die Worte vorzulesen:

"Mit meinem Leben und meinem Namen,
mit meiner Seele und meinem Sein,
unter den Augen meiner Götter,
unter ihren Worten und ihren Lehren,"

Mit stolzer Stimme wiederholte Rimon jede Zeile, doch irgendetwas stimmte nicht. Ein unwohles Gefühl machte sich in seinem Magen breit. Doch bevor er weiter darüber nachdenken konnte, fuhr der Priester fort:

"verschreibe ich so mein Leben,
mein Blut, meine Gedanken, mein Hab,
bis das es endet durch das Schwert,
denn vorher will ich nicht ruhen."

Auch diesen Worte wiederholte Rimon, doch irgendetwas war daran falsch. Das war nicht sein Schwur, nicht direkt. Einige Worte waren verändert, verfälscht worden. Hatte er sich etwa verschrieben?

"So schwöre ich meinen Arm zu heben,
um Furcht unter die Feinde zu bringen,
auf das es den schwarzen Lord stärke
und seine Faust die Schwachen zerschlage!"

Nein, das konnte nicht sein. Was hatte der Priester gesagt? Sen schwarzen Lord stärken? Rimon öffnete den Mund um den Mann anzuschreien, doch seine Lippen wiederholten die Worte, ohne das er es wollte. Er hatte keine Kontrolle über seinen Körper, seine Lippen bewegten sich, als wären sie von eigenem Leben erfüllt.

"So schwöre ich dem Sturm zu folgen,
den seine Wut über das Land bringt,
um in seinem Namen Angst zu säen,
Herr der Stürme, sei mein Führer!"

Er konnte den Sturm hören, der von draußen gegen die Fenster schlug. Das einzige Licht in der Kathedrale wurde von den Blitzen erzeugt, welche in unregelmäßigen Abständen draußen aufblitzten. Er wollte sich erheben, das Schwert ziehen, protestieren. Doch sein Körper rührte sich nicht, alleine seine Lippen, die Wort für Wort wiederholten:

"So schwöre ich auf die Dunkelheit,
bereit das Licht dort zu ersticken,
wo es sich trügerisch hervorwagt,
in deinem Namen, Gebieterin der Nacht!"

Schwarze Schatten glitten über das Gesicht des Priesters vor Rimon, seine Augen blutunterlaufen. Mit jedem Wort des dunklen Schwurs, tropfte Blut aus dessen Mund hervor und die schwarzen Adern in seinem Gesicht pulsierten im Rythmus der Worte.

"So schwöre ich den Schmerz zu finden,
welcher von deiner eisigen Stimme
über den Wind an mein Herz getragen wird,
um Dich zu zelebrieren, Maid der Schmerzen!"

Die alten steinernen Wände der Kathedrale begannen sich rot zu färben, als würde der Stein selbst bluten. Er konnte die Hitze an seinem Rücken spüren, und das Licht des Feuers sehen, welches hinter ihm die Sitzbänke des Gotteshauses gierig verschlang. Noch immer kämpfte er darum sich zu bewegen, doch nun nicht mehr aus Zorn, sondern aus Panik. Panik die seinen ganzen Geist in Besitz genommen hatte. Der Priester sah ihm tief in die Augen und sprach seinen Namen, "Rimon". Langsam liess die Starre in seinen Glieder nach, "Rimon". Und er riss seine gepanzerte Faust nach oben, um das Gesicht des Priester zu zerschmettern.


"Rimon!" Sein Körper schoss nach oben, die Hand immernoch zur Faust geballt. Noch bevor er den Wald um sich herum im Morgengrauen realisieren konnte, wurde er wieder angeschrieben "Rimon! Bei den Göttern! Bist du des Wahnsinns!" Erst jetzt merkte er, das Eliras neben ihm im Gras lag und sich die blutige Nase hielt, während Falk ihn anschrie. Das Frühstück an diesem Morgen wurde sehr schweigsam.

Am frühen Mittag kam die Gruppe an dem kleinen Dorf Scellis vorbei. Falk und Leyn Thober begaben sich in die Raststätte, während der Rest die Vorräte auffrischen sollte. Es stellte sich heraus das die Priesterin durch Scellis kam und dem Weg Richtung Rotlärche gefolgt war. Während Falk den weiteren Weg erläuterte, an Rotlärche direkt vorbei weiter nach Dreikeiler, meldete sich Tarnis zu Wort, "Wieso sollte jemand eine so eindeutige Spur zurücklassen, Lord Falk Weissfurt?" "Sie fühlt sich sicher und weiss nicht das wir Ihr folgen." Auf das Stirnrunzeln des Halbelfen hin, fuhr Falk fort, "Solche Menschen fühlen sich überlegen. Sie glauben aus dem einfachen Leben ausgebrochen zu sein, zu etwas Besserem und sehen diese Welt als ihr Spielfeld. Eine Illusion der Unverwundbarkeit. Es braucht kalten Stahl, um einen so verwirrten Geist aus der Dunkelheit zu holen."

***

Es war bereits späte Nacht als die Gruppe in Dreikeiler eintraf. Nach einer Mahlzeit in der Herberge, gab es eine kurze Besprechung über den folgenden Tag, zusammen mit einer Aufgabeneinteilung. Rimon fiel die Aufgabe zu in der Taverne "Nordstern" Erkundigungen einzuholen. Falk verteile die Gruppe über die ganze Stadt um möglichst schnell die Verfolgung wieder aufnehmen zu können.
Der Nordstern war eine saubere und gemütliche Taverne, ein grosser Schankraum mit runden Tischen, mehreren Kaminen und einem Schild das auf freie Zimmer hinwies. Wobei man für diesen Preis mehrere Zimmer in der Herberge im Südteil des Dorfes bekommen hätte. An der Theke befand sich eine Frau, das lange, blonde Haar zusammengeflochten. Rimon ging direkt auf sie zu, bestellte einen Krug Wein, legte zwei Goldmünzen auf den Tisch und begann sich mit ihr zu unterhalten. Nach einiger Zeit kam er dann auf das Thema. "Habt ihr vor kurzem eine Gruppe durch das Dorf reisen sehen? Zwölf Personen, acht schwer gerüstete Krieger dabei und unteranderem eine schwarzhaarige Frau?" Einen Moment lang blickte die Frau, Elia, ihn einfach nur an, prüfend. Rimon fuhr fort, "Es ist wirklich wichtig." Mit einem Seufzen deutete die Frau die Stufen hinauf in den ersten Stock. "Haben zwei Zimmer gemietet, wobei ich sie heute noch nicht gesehen habe." Rimon wägte ab, ob er sofort die Zimmer stürmen sollte, entschied sich dann aber entgegen. Er wartete noch einige Zeit, bis es soweit war und sich alle zurückmelden sollten. Dann stand er auf, bedankte sich und ging die anderen treffen.

Dem ersten Krachen, folgte fast im gleichen Augenblick noch ein zweites, als Holz sich verbog und auseinander splitterte. Kurz danach stürmten jeweils drei Männer in die zwei Zimmer der Herberge. Während die ersten Drei einen leeren Raum vorfanden, stockte dem Rest der Atem. Das grosse Doppelbett war in die Mitte des Raumes gerückt worden, darauf befand sich eine nackte Frau. Ihre Arme und Beine an die Eckpfeiler des Bettes gefesselt. Ihr kurzes, braunes Haar war verklebt. Die blauen Augen blickten zur Decke, starr, leblos. Der Körper mit all seinen schönen Rundungen schien Rimon im ersten Moment so schwarz wie die Nacht. Dann begann sein Verstand wahrzunehmen, was das Unterbewusstsein nicht sehen wollte und der Raum vor ihm färbte sich purpur, einem Königsmantel gleich. Seine Knie wurden weich, und trotz der Rufe vom Nebenzimmer herrschte Stille. Während Falk und Rimon weiter starr auf den Körper blickten, verliess Eliras den Raum. Rimon wäre auch gegangen, hätten ihm seine Beine gehorcht.
Als Leyn und Tarnis den Raum betraten, verfielen auch diese in Schweigen. Während Firen langsam durch den Raum ging. Seine schweren, gepanzerten Stiefel hinterliessen Abdrücke auf dem Teppich aus Blut, der das Zimmer durchzog. Dann erhob er seine rauhe Stimme "Hier ist eine Nachricht," und einen Moment später "für Rimon." Auf einem feinen Stück Pergament waren mit fein geschwungener Feder, und dem Blut der Frau, folgende Worte notiert: Folg uns, und du findest Bianca als nächstes, Rimon.

Die nächste halbe Stunde fühlte sich Rimon als würde er in ein Kreuzverhör genommen. Wer ist Bianca? Woher kennt die Priesterin deinen Namen? Warst du gestern noch in der Stadt unterwegs? Wer ist Bianca? An was erinnerst du Dich noch? Was, Wer, Wo, wie, Wann!
Falk unterbrach das Ganze schliesslich, mit seinem Befehl zum Aufbruch. Tarnis hatte von einer Wache am Nordtor erfahren das die Gruppe am gestrigen Tag, direkt nachdem die Jäger angekommen waren, Richtung Langsattel weitergezogen sind. Während alle aufsattelten, meinte Falk "Rimon.. du weisst das wir weiter müssen. Und das ihr Leben enden wird, wenn wir nicht folgen. Oder wenn wir zögern. Es gibt nur einen Weg." Ein müdes Nicken war die einzige Antwort die Falk erhalten sollte.

Myria Crieth

Langsattel ist eine kleine Stadt im Dessarin Tal, welche unter einer Plage von Hobgoblins und Orks leidet, die der Stadt immerwieder zu schaffen machen. Vorallem der letzte Tagesritt war sehr anstrengend nachdem Tarnis die Spuren einer Gruppe von Hobgoblins ausgemacht hatte. Jedoch war Tymora, die Göttin des Glücks, auf der Seite der Jäger und die Stadt wurde ohne einen Kampf erreicht, aber bei dem Tempo das Falk angeschlagen hatte um wieder aufzuholen, hatte sich Firens Pferd verletzt und die letzten Meilen zogen sich ewig hin.
Nachdem die Gruppe Zimmer im 'Alten Eichenstamm' belegt hatte, rief Falk wieder zu einer Besprechung auf. Jedoch ergriff Eliras das Wort "Wir sollten die Miliz hinzuziehen. Wenn sie noch in der Stadt sind könnten wir sie festsetzen." Bevor jemand etwas erwidern konnte, sprach Tarnis "Dagegen, es ist persönlich." Einen Augenblick lang hingen die Blicke verwundert auf dem Halbelfen, dann jedoch meldete sich Lord Leyn Thober zu Wort "Meine Zustimmung. Wir sollten keine Unbeteiligten hineinziehen, bevor wir nicht wissen mit wem oder was wir es genau zu tun haben. Der Weg scheint sie nach Mirabar zu führen, wenn wir Hilfe benötigen, holen wir sie uns dort." "Ihr habt es gehört" schloss Falk die Diskussion ab.
Da die Gejagten nun um den Jäger bescheid wussten, teilte Falk Zweiergruppen ein. Er selbst ging mit Leyn Thober sich bei der Miliz umhören und dann Vorräte auffrischen. Tarnis und Firen schickte er zu der Herberge einige Meilen nördlich der Stadt, der geschätzte Aufenthaltsort der Gesuchten. Beide würden dort nicht auffallen, im Gegensatz zu den Streitern und Paladinen Tyrs. Danach sollten sie zum Nordtor zurückfallen und schauen wer die Stadt verlässt. Rimon und Eliras fiel es zu die Ställe abzusuchen, dann die Herbergen innerhalb der Stadt. Zu beider Überraschung hatte sich die beschriebene Gruppe wirklich nur wenige Stunden vor ihnen selbst eingefunden. Der Stallbursche gab, ein Goldstück später, auch noch Auskunft das sowohl eine Frau mit langen schwarzen Haaren und ein Mädchen mit roten Locken unter ihnen war. Bianca. Rimon hatte das Gefühl sein Herz würde aus dem Brustkorb springen wollen. Sie hatten noch fast eine Stunde bis die anderen sich wieder einfanden am Nordtor und er beschloss mit Eliras die Herbergen der Reihe nach abzusuchen.
In östlichen Teil der Stadt befand sich der 'Sonnenaufgang', eine luxoriöse Herberge. Nachdem der 'Alte Eichenstamm' im Süden sich als Fehlschlag erwiesen hatte, steuerten beide direkt darauf zu. Der 'Sonnenaufgang' war wie ein grosses E geformt, der Haupteingang an der Mitte der langen Seite und weitere Eingänge jeweils am Ende jedes Ausläufers, zusammen mit den Zimmern. Noch während Rimon mit einer Kellnerin sprach, tippte ihn Eliras auf die Schulter und nickte dem Treppenaufgang zu. Er folgte dem Blick und sah das sich ein Mann mit kurzem schwarzen Haar von einem der Tische in der Ecke gelöst hatte und auf die Treppe zusteuerte. "Holen wir die anderen." Doch Eliras entgegnete ihm mit "Keine Zeit mehr" und hatte schon eine Hand am Griff seines Langschwertes, während er ebenso zur Treppe lief. Rimon verfluchte die Situation innerlich. Eliras hatte Recht, sobald der Mann sie melden würde, würde Bianca sterben. Er folgte einige Schritt hinter Eliras die Treppen empor. Als beide oben ankamen, führte der Gang in zwei Richtungen und der Mann war verschwunden. Eliras warf einen fragenden Blick zurück und Rimon sah sich um, bevor er auf den Teppich deutete. Die gepanzerten Stiefel des Mannes hatten leichte Abdrücke hinterlassen die in den linken Flügel führten. Scheinbar war er in Eile gewesen. Beide zogen blank. Gerade als sie um die Ecke in den linken Flügel bogen, hörten sie Schreie und schliesslich zog ein Mann Bianca aus einem Raum heraus. Er trug ebenso einen Plattenpanzer, darüber einen braunen Umhang mit einer Kapuze die Schatten auf sein Gesicht warf. Biancas Haare waren durcheinander, der Ärmel ihres Kleides aufgerissen und Tränen flossen ihr Gesicht hinab - die flehenden, blauen Augen fixierten Rimon einen Moment vor dem Mann und sie begann panisch zu schreien. Rimon war sich sicher, er würde diese Stimme, die Worte, nie wieder vergessen, so brannte sich der Terror ihrer Stimme in seine Erinnerungen "Rimon! Rimon! Nicht! Sie werden Charis töten! Nicht! Rimon! Hilfe!". Und er tat das Einzige das er tun konnte, mit der Klinge auf den Mann zeigen und auf ihn zugehen. Er würde den Bastard bestrafen. Im nächsten Moment flog eine Türe direkt neben ihm auf und der schwarzhaarige Mann aus dem Schankraum sprang auf ihn zu, eine Axt in beiden Händen. Mit mehr Glück als Verstand brachte er noch sein Schwert empor um den Schlag an sich vorbei abzulenken. Der Gang war zu eng als das Eliras ihm helfen konnte und der Krieger war nur in eine leichte Rüstung gekleidet und viel beweglicher. Aber dank der niedrigen Decke konnte er mit der Axt nicht richtig ausholen. Während er dem nächsten Hieb nach hinten auswich, hörte er Eliras schmerzerfüllt aufschreien. Statt zu Kontern, nutzte er die Zeit um einen Blick nach hinten zu werfen. Ein zweiter Krieger war von der anderen Seite gekommen und hatte Eliras an der Schulter getroffen. Obwohl sein Schwertarm nurnoch an seiner Seite hing, hatte Eliras es geschafft das Schwert mit der linken Hand aufzugreifen um sich zu erwehren. Rimon war sich sicher, er würde das nicht lange durchhalten. Sein Gegner hatte mittlerweile wieder die Axt nach oben gebracht und schwang diese hoch nach vorne. Ohne eine Möglichkeit der Axt in dem engen Gang noch auszuweichen, sprang er nach vorne und zu seinem Glück streifte die Klinge der Axt an der Decke entlang um ihn genug Zeit zu geben, die Distanz zu schliessen. Noch während der Krieger versuchte seine Axt auf Rimon hinabsinken zu lassen, zertrümmerte ihm Rimon die Nase mit einer gepanzerten Faust. Gleichzeitig mit seinem Aufprall auf dem Boden, durchdrang dann das Tyr geweihte Langschwert den Kettenpanzer und das Licht verschwand aus den Augen seines Gegners.
Ein Blick den Gang entlang zeigte, das der Mann mit Bianca verschwunden war. Rimon hatte nicht die Zeit zum fluchen, sondern drehte sich um Eliras zu helfen. Er sah noch wie das Schwert aus dessen Hand glitt und der junge Streiter Tyrs auf die Knie sank. Die lange Klinge eines Anderthalbhänders ragte aus dessen Rücken. Während Rimon mit schnellen, wütenden Schritten auf den Schwertkämpfer zuging, erkannte er das der Paladin selbst mit dem Schwert in der Schildhand noch einen guten Kampf gegeben hatte. Ein Schnitt am Kopf des Kriegers entlang und Blut lief dessen Bein entlang. Doch anstatt die Flucht zu ergreifen, zog er seine Klinge aus Eliras und stürzte sich auf Rimon, wohl in der Hoffnung den Kampf mit einem guten Schlag in diesem engen Gang zu beenden. Doch seine Bewegungen waren viel zu langsam, Eliras hatte ihm zu sehr zugesetzt. Rimon tauchte problemlos unter dem Hieb hindurch und seine Klinge fand Fleisch.

***

"Niemand kam an uns vorbei." "Sie sind trotzdem nach Mirabar weiter, Tarnis." "Wieso seid ihr Euch so sicher, Lord Weissfurt?" ergriff Leyn das Wort "Sie könnten ebenso zurück reisen oder sich in der Wildnis verstecken, um uns abzuhängen." "Ich habe vor langer Zeit ähnliche Morde verfolgt und die Priesterin damals gerichtet. Es war ein bitterer Sieg, den meine Männer mit dem Leben bezahlten, jeder Einzelne." Rimon sah den Schmerz in Falks Gesicht "Aber ich weiss wo sie hinziehen. Sie sind auf dem Weg zu einem Tempel im Grat der Welt." "Und was haben sie dort vor?" Wieder die tiefe Stimme von Lord Leyn Thober. "Leider nie in Erfahrung gebracht." Firens raue Stimme beendete das Thema "Wir müssen weiter." "Was ist mit Eliras?" Rimon hoffte das man die Schuldgefühle nicht aus seiner Stimme heraushören konnte. Falk antworte "Auf dem Rückweg, nehmen wir seinen Körper mit zurück. Die Kirche hier wird ihn entsprechend preparieren. Es ist traurig, doch wir müssen weiter. Wir können uns die Zeit zum Trauern nicht leisten."

Der Kampf war befreiend. Rimon war sich sicher, das die anderen auch jeden Augenblick davon genossen. Es befreite, für diese Zeit gab es keine Trauer, keine Zweifel, keine Schuld, es gab nur den Stahl in der Hand. Zwischen Mirabar und Langsattel war die Gruppe über ein kleines Orklager gestossen und Falk hatte beschlossen die Gelegenheit zu nutzen, um die Dörfer in der Nähe um eine Gefahr zu erleichtern. Er musste danach wieder an Korvikoum denken. Wie wahr es doch war. Sie hatten die Wahl ob sie 'den Sonnenstrahl' betreten oder nicht. Es war Eliras Entscheidung dem Mann aus dem Schankraum zu folgen. Handlung und Konsequenz. Handlung und Konsequenz. Was für Konsequenzen würden seine Handlungen noch hervorbringen?

Mirabar. Keine Stadt nördlich von Tiefwasser kann einen solchen Reichtum vorweisen. In den Minen werden alle Metalle und Edelsteine der Vergessenen Reiche gefunden und eine permanente Armee ist dort stationiert um gegen jedwede Bedrohung zu stehen. Während die Oberwelt von Mirabar von Menschen bevölkert wird, gehört den Schildzwergen der Untergrund. Eine faszinierende Stadt. Rimon hätte gerne mehr Zeit dort verbracht. Unter dem Verlust einiger Goldstücke hatte Firon festgestellt das die gesuchte Gruppe nach keiner ganzen Stunde soweit weitergezogen war. Falk beschloss das man sofort hinterherzieht und dann versucht die Gruppe vor dem Tempel noch abzufangen. Seine Schlussfolgerung, daraus das Bianca scheinbar nicht getötet wurde, war das die Priesterin Opfer brauchen würde, Blut, für ein unheiliges Ritual das es zu verhindern galt. Vor dem Ritt sprach Falk nochmals jeden seiner vier Mitstreiter an, warnte vor der Gefahr und davor das vielleicht nicht alle wieder nach Mirabar zurückkehren würden. Keiner sprang ab und so begann der letzte Teil der Jagd, der Schritt in Aurils Reich des ewigen Eises.



Kapitel 3: Ewiges Eis

Falk führte die Gruppe durch ein Waldstück und dann querfeldein auf den Grat der Welt zu, bis er einen kaum erkennbaren Pfad fand der in die Berge hinein führte. Schon kurz nachdem die Gruppe von der Strasse herunter war, fanden sie die Spuren der Gesuchten. Tarnis zählte neun Pferde und etwa eine Stunde Vorsprung.
Die Kälte hatte Rimon schon im ganzen Norden als grausam kalt erachtet und nun hatte er den Eindruck als würde ihn Aurils Zorn verfolgen. Schnee wurde langsam aber sicher zu Eis, man musste aufpassen wohin man reitet wegen den glatten Stellen. Der kalte Wind biss einem in das Gesicht und war selbst durch Mäntel und Felle zu spüren. Einige Zeit lang diskutierte Falk mit Tarnis über den Weg, dann wurde dieser so eng, das man nichtmehr nebeneinander reiten konnte. In einer Welt aus schmerzender Kälte war das einzige Geräusch das Rimon wahrnehmen konnte der Wind, welcher schneidend in sein Gesicht peitschte. Und so dehnten sich die Augenblicke, Minuten wurden zu Stunden.

Die Berge erhoben sich wie chaotisch verzerrte Pyramiden, dem Himmel zugeneigt. Dort wo sich keine kahlen Felsen befanden, bedeckte Schnee und Eis die Berge. Rimon hatte vom Grat der Welt gehört, doch nichts davon klang so grausam wie diese Erfahrung. Auch von der Ferne hatte das Gebirge nicht verschneit gewirkt. Wann hatte überhaupt der Schneesturm eingesetzt?
Fast wäre Rimon gegen Firens Pferd geritten, hätte sein eigenes Tier nicht aufgepasst. Die ganze Gruppe war zum stehen gekommen, Falk und Tarnis bereits abgestiegen. Der Weg war mittlerweile breiter geworden, ohne das es Rimon aufgefallen war und hatte zu einem Plateau geführt. Es dauerte einen Moment, bis er im Schnee die Formen ausmachen konnte, auf die Tarnis zuging. Etwas lag dort im Schnee, eine humanoide Form, nur grösser. Viel grösser. Sehr viel grösser.

"Beide Frostriesen wurden von Klingenwaffen getötet, die Höhe der Schnitte zeigt das es ebenso Menschen waren." "Gut, dann haben wir die richtige Spur, Tarnis." "Lord Weissfurt? Einen hat es erwischt." Als Rimon die Worte vernahm, ging er hinüber zu den Leichen. Der Schneesturm begann nachzulassen und er schob die Kapuze seines Umhanges zurück, während er auf ein Knie hinab sank und den Toten betrachtete. Ein zufriedenes Lächeln legte sich auf seine Lippen, denn er erkannte die Plattenrüstung sofort. Der berobte Krieger aus dem 'Sonnenstrahl' lag hier im Schnee. In seinen Augen war der Tod nie etwas Schönes gewesen, sondern immer eine Notwendigkeit. Eine Strafe für jene die man nicht mehr retten konnte oder das bittere Ende, dem niemand entgehen kann. Diesmal sah er den Tod eines Menschen als etwas Zufriedenstellendes. Der Bastard hatte es verdient und er wäre nur noch glücklicher darüber gewesen, wäre es sein Schwert gewesen, nicht die Axt eines Frostriesen. Gerade als er Falks Ruf hörte, "Wir haben Zeit aufgeholt, Beeilung!", sah er einen Schatten im Schnee. Vielleicht zwei dutzend Schritte entfernt, kam etwas Grosses auf ihn zu. Noch während er seine Klinge hervorzug, kam ein weiterer Ruf Falks "Zu den Waffen!"
Ein Blick über die Schulte zeigte das ein Riese mit einem Brustpanzer, der garnicht zu dessen Statur passte, über Lord Leyn Thober stand, während dieser neben seinem Pferd am Boden lag. Der Riese musste ihn überrascht haben, noch auf dem Pferd sitzend. Doch Rimon hatte keine Zeit den Rest zu suchen, mittlerweile war der Riese nurnoch wenige Schritte entfernt.
Sein Schild war noch an seinem Pferd, also nahm Rimon sein Langschwert in beide Hände und ging langsam seitwärts, den ersten Schlag des Riesen abwartend. Sein Gegner war etwa so gross wie der Eistroll, vielleicht einen Kopf grösser. Schwer zu sagen, da der Riese entgegen dem Troll eine aufrechte Körperhaltung hatte. Matte blaue Haut und gelbes Haar, dazu eine Weste und eine Schürze aus Fell. Und in der Hand eine Axt, die Rimon das Blut in den Adern gefrieren liess. Ein guter Treffer und dieses Plateau würde sein kaltes Grab werden. Jedoch hatte er nicht vor es soweit kommen zu lassen. Gerade als der blonde Frostriese mit seiner Waffe eher lässig ausholte, sprang er nach vorne, setze einen Zweihandhieb gegen das Schienbein des Gegners. Natürlich hatte der Riese so keine Möglichkeit die Axt effektiv einzusetzen und das riesige Axtblatt flog an Rimon vorbei. Ein Sprung zur Seite um den frustrierten Tritt des blonden Riesen auszuweichen und ein weiterer Hieb gegen das Bein, dann ging Rimon auf Distanz. Er befand sich nun auf der anderen Seite des Riesen und hatte das Schlachtfeld halbwegs im Blick.

Leyn hatte sich halbe aufgerichtet und parrierte die riesige Axt mit dem Stiel des Hammers. Rimon hätte nicht geglaubt, dass die Waffe das überstehen würde. Während der Riese mit der Brustplatte die Axt für einen weiteren brutalen Schlag in die Höhe riess, ging Leyn in eine leichte geduckte Kampfhaltung, während sein Hammerkopf zu funkeln begann. Ein schneller Schritt zur Seite und die Axt schlug neben ihn gegen den felsigen Boden. Leyns Hammer traf die Kniescheibe des Riesen mit der Stachelbestückten Bahn. Das Bein des Riesen knickte in einem unnatürlichen Winkel zur Seite und er krachte mit einem Schrei auf den Boden.
Tarnis war nicht zu sehen, doch ein Pfeil steckte im Rücken des dritten Angreifers, der Falk Stück für Stück zurückdrängte. Als sein Blick begann Firen zu suchen, hätte das fast Rimons Leben gekostet. Erst im letzten Moment duckte er sich unter der Axt hinweg ging erneut in den Angriff über. Diesmal täuschte er einen Schlag auf das bereits verletzte Schienbein an, drehte sich dann aber in die andere Richtung und rammte sein Schwert in den Oberschenkel des anderen Beins. Zum Dank bekam er den Handrücken des Riesen ins Gesicht und fiel zurück auf dem Boden. Er hatte den Schlag nicht gesehen und die wichtigste Regel im Kampf, die Falk ihm beibrachte, dabei vergessen: Verliere niemals deine Waffe. Seine steckte noch im Bein des Frostriesen.
Zwischen den Beinen des blonden Riesen hindurch konnte er Leyn sehen. Er ging wie ein Henker auf den Riesen mit der Brustplatte zu, der deutlich Problem hatte sich aufzurichten. Der zweite Schlag des verzauberten Kriegshammers zerschmetterte den Kopf des Gegners. Für einen Moment lang wusste Rimon nicht ob er mehr Angst vor dem Riesen oder Lord Thober haben sollte. Nur zwei Schläge! Sein Blick glitt rechts am Riesen vorbei, Falk hatte seinem Gegner, ein Riese mit einem gehörnten Helm, einige Verletzungen zugefügt, humpelte aber selbst. Tarnis stand hinter dem behelmten Riesen, dabei einen weiteren Pfeil aus dem Köcher zu ziehen, der Schnee um ihn herum rot. Er hatte keine Zeit zu schauen wem das Blut gehörte, sondern rollte sich zur Seite um einem Hieb der Axt auszuweichen. Seine Gedanken überschlugen sich, er brauchte einen Plan um an die Waffe zu kommen - lebend. Noch bevor er sich aufrichten konnte, musste er sich wieder zur Seite werfen um dem nächsten Schlag auszuweichen. Obwohl der Frostriese verletzt war, würde Rimon schneller die Kraft ausgehen.
Der blonde Riese zuckte zusammen. Firen riss seine Axt aus dessen Seite und wirbelte herum um den nächsten Schlag zu setzen. Firen! Der Riese hatte Rimon vergessen und drehte sich, um den nächsten Schlag des neuen Angreifers zu blocken. Aber auch diesen Treffer musste er einstecken und zu der Verletzung an der Seite gesellte sich eine weitere Wunde an der Hüfte. Einen Moment lang zögerte Rimon, dann fasste er den Mut sich seine Waffe wiederzuholen. Er wartete bis der Frostriese die Axt wieder auf Firen zufliegen liess, rannte dann nach vorne und zog sein Schwert aus dessen Oberschenkel. Im gleichen Moment als er die Klinge wieder in der Hand hielt, bemerkte er das Firen nicht mehr dort stand wo er eben noch war und er nun wieder das Ziel des blonden Riesen war. Mit Mühe tauchte er unter dem nächsten Schlag hinweg, doch merkte er das die Verletzungen langsam an den Kräften des Gegners zerrten. Als ein Pfeil über ihn hinweg flog, in die Schulter des Riesen, wusste er das der Kampf gewonnen war.
Trotzdem war der Kampf ein bitterer Rückschlag für die Gruppe. Firen wurde quer über den Brustkorb getroffen von der Axt und war einige Schritt weiter leblos liegen geblieben. Tarnis blutete unter der Rüstung, bestand aber darauf das es nur ein Kratzer sei. Firens Pferd war in Panik ausgebrochen und über das Plateau hinaus gesprungen, in den Tod hinab und Leyns Pferd hatte sich am Fuss verletzt.
Erst Eliras, dann Firen. Vorallem Falk traf es besonders hart. Rimon konnte den Schmerz in dessen Gesicht ablesen und zum ersten Mal schien er ihm wie ein alter Mann.

Tarnis führte die schweigende Gruppe vom Plateu hinab in ein Tal, das wie eine riesige Spalte wirkte, ein Riss durch den Berg. Immerhin peitschte dort der Wind nicht mehr ins Gesicht und Rimon war dankbar dafür. Aber der Boden war eisig glatt und zeitweise musste die Gruppe absteigen und die Pferde führen. Im Laufe der nächsten Stunde fanden sie die Körper von drei toten Pferden. Zwei davon hatten einen Fuss gebrochen und waren getötet worden, das Dritte Lag neben der Leiche eines Kriegers in Kettenrüstung. Beide waren exekutiert worden. Der Körper des Mannes hatte gekniet, als man ihm einen Speer durch den Nacken gerammt hatte. Alle vier Leichen waren noch warm, doch Tarnis meinte das sie ihren Vorsprung ausbauen würden, da sie deutlich nicht absteigen würden sondern eher die Pferde riskierten.

Trotz der Vorsicht, kam Leyns verletztes Pferd auch nicht mehr weit, bevor es einknickte. Es konnte zwar alleine stehen, aber keinen gerüsteten Reiter mehr tragen. Leyn liess es zurück, in der Hoffnung das es vielleicht den Weg aus den Bergen finden würde. "Was nun?" Rimon war es diesmal der die Stille brach. Niemand wusste was zu tun. Keines der Pferde würde noch einen weiteren gepanzerten Reiter tragen und zu Fuss durch diese Berge war Wahnsinn. Einige Momente später gab Tarnis bekannt "Dann müsst ihr ohne mich weiter" "Tarnis?" Falk ritt nach vorne "Ist alles in Ordnung?" Ein bitteres Lächeln lag auf den feinen Zügen des Halbelfen, als dieser sich etwas im Sattel drehte. Einen Augenblick später verzog er das Gesicht und glitt vom Sattel des Pferdes, um unsanft mit der Schulter voraus auf den Eisboden zu fallen. Erst jetzt sah Rimon das die ganze Seite der Lederrüstung dunkelrot getränkt war. Der Riese hatte ihm keine leichte Verletzung zugefügt, sondern sein Todesurteil verkündet.
Leyn war sofort an der Seite des Halbelfen und stützte dessen Körper in eine Sitzhaltung. "Beeilt Euch," kurz verzog Tarnis das Gesicht, bevor er weitersprach "und bringt es zu Ende." "Wir lassen Dich nicht zurück, Tarnis." Falk Stimme duldete keinen Widerspruch und der Waldläufer begann ein Lachen, das aber in einem blutigen Husten endete. "Wi-" doch Leyn schnitt Falk das Wort ab "Wir holen ihn auf dem Rückweg."
Damit gab sich Falk zufrieden, obwohl er genauso wusste, das Tarnis dann nicht mehr leben würde. Alle sprachen ihren Abschied, Tarnis wünschte ihnen Glück und die Gruppe zog weiter. Falk war der Letzte, der auf sein Pferd stieg, die Bewegungen deutlich von Müdigkeit gezeichnet. Er hatte schon mehr als einmal Männer in deren Tod geführt, er schon oft gesehen, wie Männer sich opferten und er selbst hatte auch schon Opfer gebracht und gelitten. Doch es machte keinen Unterschied wie oft man dies sah, jedesmal Schmerzte es, als wäre es das erste Mal. Opfer zu bringen ist niemals einfach.
Falls die Stimmung vorher noch nicht am Tiefpunkt angelangt war, dann war dieser nun definitiv erreicht.

Am Ende der Schlucht führte ein leichter Hang einen Berg hinauf und dort setzte wieder der Weg an. Die Spuren im Schnee waren deutlich zu erkennen und führten seitlich am Berg entlang und auf der anderen Seite hinab. Erst glaubte Rimon dort wieder eine Schlucht zu erkennen, doch aus der Nähe stellte sich der Riss als ein Höhleneingang heraus. In die Eisschicht, welche die Wände bedeckte, waren Runen geschlagen, die Falk aus eine Lobpreisung an Auril identifizierte. Mittlerweile war schon Zwielicht angebrochen und von Aussen war nichts im Höhleninneren zu erkennen. Während Falk weiter die Runen am Eingang studierte, war Leyn dabei mit Feuersteinen eine Fackel anzuzünden, jedoch mit nur mäßigem Erfolg. Rimon hatte gerade seinen Schild vom Pferd gelöst und drehte sich zum Eingang, als aus diesem vier Gestalten kamen. Drei davon trugen Plattenrüstungen und Zweihänder, eine vierte Person hielt sich im Hintergrund und war lediglich als Schatten zu erkennen.
Es gab keinen Wortwechsel, keine unnötigen Rufe oder Kampfschreie, keine Gesten. Alleine der Klang von Stahl der über Stahl gleitet, als Falk Weissfurt seinen Anderthalbhänder zog, läutete den Kampf ein.
Den Rest erlebte Rimon wie in Trance. Er war dabei einen der Krieger zurückzudrängen, als der vierte Gegner sich als ein Magier herausstellen sollte und einen Zauber auf Falk warf, worauf dessen Körper mit einer dünnen Eisschicht bedeckte wurde und er erstarrte - die Klinge bereits zum Schlag erhoben. Dann verteidigte er Falk gegen zwei Krieger und steckte Treffer für Treffer ein. Erst als Ley seinen Kriegshammer herumriss und mit einem Treffer den Plattenpanzer und den Brustkorb des dritten Kriegers zerschmetterte und diesen gute fünf Schritt zurückwarf gegen die eisige Wand, wurde Rimon wachgerüttelt. Leyn sprintete an ihm vorbei auf den Magier zu, der mit panischem Blick einen weiteren Zauber vorbereitete. Der erste Krieger, ein Mann von fast dreißig mit einer Nase nach einem Bruch nicht richtig verheilt war, löste sich von Rimon und rannte Leyn hinterher, während Rimon sich weiter darauf konzentrierten musste Falk zu schützen. Erst jetzt bemerkte er, das sein Schildarm fast taub war und eine Hälfte seines Gesichtes höllisch brannte.
Über das Gesicht des Magiers zog sich ein breites Grinsen als er die finalen Worte des Zaubers sprach und auf Leyn zeigte. Ein dutzend Schritt noch trennten den Paladin von seinem Ziel - er holte aus und warf seinen Hammer. Das Lächeln des Magiers verschwand und für den Bruchteil eines Augenblicks weiteten sich seine Augen, bevor der Hammer sein Ziel fand. Doch kein Sieg ist ohne Verluste, der Zweihänder seines Verfolgers spaltete Leyns Kopf direkt darauf und der stolze Paladin sank leblos zu Boden. Doch mit dem Tod des Magiers endete auch dessen eisiges Gefängnis und Falk wirbelte seinen Anderthalbhänder herum, um Rimons Gegner das Leben zu nehmen. Der verbleibende Krieger mit der krummen Nase versuchte in die Höhle zu flüchten, sowohl Rimon als auch Falk hinter sich. Er fiel als Erstes in der Dunkelheit und Falk sorgte dafür das er sich nicht mehr erheben konnte.

Beide waren bei der Jagd tief in die Höhle gerannt ohne eine Fackel, doch tiefer in der Höhle erfüllte ein bläuliches Schimmern die Gänge. Es spiegelte und reflektierte sich am Eis das die Wände und die Decke überzog immerwieder. Für einige Momente standen sich Falk und Rimon schweigend gegenüber, dann nickten beide und gingen weiter. Obwohl Rimons Gesicht brannte, noch immer wusste er nicht wie schwer die Verletzung war, und er mittlerweile seinen Schild zurückgelassen hatte, da der Arm ihn nicht mehr tragen konnte, störte ihn der Schmerz nicht. Nicht mehr. An diesem Tag hatte er vier tapfere Männer sterben sehen. Der Schmerz gab ihm Kraft, Kraft für Rache. Der Weg führte leicht bergab, tiefer hinab in den Berg hinein. Nach einiger Zeit kamen beide an einer kleinen Kammer vorbei, die vom Weg abzweigte. Fast wäre Rimon daran vorbeigegangen, doch dann weiteten sich seine Augen. In der Mitte der Kammer lag ein Körper. Er erkannte das Haar, die roten Locken sofort. Charis, die Cousine von Bianca. Ihren Mund zu einem stummen Schrei für die Unendlichkeit aufgerissen, die Augen weit geöffnet und voller Angst. Um ihre weit von sich gestreckten Hände blutige Lachen und zwei lange rote Linien entlang den Pulsadern. Die Lippen waren schon bläulich und das Eis teils gefroren.
"Ist sie das?" "Ihre Cousine." "Fast noch ein Kind." mehr Worte wurden nicht gesprochen. Doch Rimon fand es merkwürdig, dass er nun auch nicht mehr die Angst für Bianca fühlte. Angst, Schmerz, Trauer, diese Gefühle hatte er nun hinter sich gelassen. Sie spielten einfach keine Rolle mehr, er wollte nurnoch Rache.

Kurze Zeit später, fand sich ein weiterer Körper. Der Diener, Cled, lehnte an einer Wand. Er trug den gleichen feinen Anzug wie im Garten der Burg Steinstolz. Das erklärte natürlich auch wieso seine Haut bläulich und rötlich verfärbt war. Er war zurückgelassen worden, weil er erfroren war. Falk ging wortlos an ihm vorbei, das Gesicht genauso grimmig wie zuvor. Rimon betrachtete Cled für einige Momente und wollte dann weitergehen, als dieser plötzlich die Augen aufschlug und Rimon mit seinem unangenehmen Blick fixierte, die Augen blutunterlaufen. Kurz zuckte Rimon vor Schreck zusammen, merkte dann aber das sich die Lippen von Cled leicht bewegten und sank auf ein Knie hinab. Den Kopf soweit vorgestreckt, das sein Ohr fast die Lippen berührte, lauschte er dem schmerzerfüllten Flüstern. "Sie... sie ist verrückt." "Wieviele sind es?" "Es ist eine Todesfalle.. wir... wir... wir werden hier sterben... wir alle..." "Wieviele sind es? Lebt Bianca noch?" Eigentlich war Rimon schon davon ausgegangen, das Cled ihn nicht wirklich wahrnehmen würde, als dieser leise zu Husten begann. Doch dann wurde ihm klar das es kein Husten war, sondern ein leises Lachen. "Narrrr..." mit diesem Wort schloss Cled seine Augen wieder. Rimon rüttelte ihn noch mehrfach, doch der starre Körper gab keine weiteren Worte von sich. Schliesslich erhob er sich und eilte Falk hinterher.



Kapitel 4: Konsequenzen

Als er schliesslich Falk eingeholt hatte, stand dieser bereits am Ende des Ganges. Vor ihm erstreckte sich eine riesige Kammer von gut fünfzig Schritt Durchmesser. Eine breite Treppe führte hinauf zu einer Plattform in der Mitte, rings herum ein Abgrund dessen Boden Rimon nicht erkennen konnte. Auf der Plattform standen drei in Roben gehüllte Personen um einen runden Altar, von dem das hellblaue Licht ausging, das die Höhle erhellte. Rimon hatte das Gefühl, dass ihm die Stufen bekannt vorkamen, konnte es aber nicht genau einordnen. Als ob die Berobten seinen Blick bemerkt hätten, drehten sie sich um und blickten zu Falk und Rimon hinab. Zwei von ihnen trugen Plattenrüstungen und gingen einige Stufen hinab, den Neuankömmlingen entgegen. Die dritte Person war etwas kleiner und weit schmaler gebaut, wohl die gesuchte Priesterin. Augenblicke vergingen schweigend, bis Rimon das Wort ergriff "Wo ist Bianca?" Seine Stimme echote ein dutzend Mal durch die Kammer. Es vergingen wieder einige Augenblicke des Schweigens, bevor das helle Kichern der Priesterin die Kammer erfüllte. Als Rimon scheinbar keine weitere Antwort erhalten sollte, erhob Falk seine ruhige Stimme, während er die ersten Stufen emporstieg. "Ich habe Euch einmal aufgehalten und ich werde es wieder tun." Bei den Worten hob er seine Klinge an und zeigte direkt auf die Priesterin. Als Antwort zogen die zwei Krieger ihre Schwerter, auch dieses Geräusch hallte wieder und wieder durch die Kammer.
Während die Schwertkämpfer auf Rimon und Falk zugingen, begann die Priesterin zu Flüstern. Selbst das Flüstern wurde vom Echo der Kammer aufgegriffen und hallte immerwieder leise durch den Raum. "Wie auch damals, wirst du heute auch fallen, Falk. Dies ist die Rache, die den ersten Kreis schliesst." Obwohl Falk mit erhobener Klinge auf die Gegner zuging, blieb Rimon stehen. Jedes Wort hatte ihn wie ein Faustschlag getroffen. Jedes der Worte brachte Schmerz und Angst in sein Leben zurück, dann Enttäuschung, Hoffnungslosigkeit und schliesslich Verzweiflung. Mittlerweile hatte der Kampf begonnen, der Klang von Stahl gegen Stahl hallte durch die Kammer und die Stimme der Priesterin wurde lauter um sich darüber zu erheben. Unverkennbar für Rimon drang die Stimme von Bianca an sein Ohr "Komm zu mir, deine Belohnung erwartet Dich, mein Rimon."
Falk hatte deutlich Probleme sich beider Angreifer zu erwehren, doch Rimon hatte dafür keine Augen. Wie von selbst trugen ihn seine Beine die Treppen hinauf, während seine Gedanken herumwirbelten und keinen Sinn ergaben. Die Priesterin, Bianca, senkte mit beiden Händen langsam ihre Kapuze herab und langes schwarzes Haar fiel darunter hervor. Die Stufen der Kammer erinnerten ihn an die Stufen aus seinen Träumen und für einen Moment lang hatte er das Gefühl wieder auf dem eisigen Berg zu stehen. Als er auf der Höhe von Falk war und Schritt für Schritt an diesem vorbeiging, fing sich sein Mentor einen Hieb gegen den Schulterpanzer ein und rief "Rimon! Kämpfe! Für den Gerechten!" Doch in Rimons Geist schrie es nur: Die blauen Augen, die roten Lippen, Bianca!
Vor Bianca angekommen, durchfluteten Emotionen seinen Körper die er nicht mehr kontrollieren konnte. Er sank auf seine Knie, Tränen bahnten sich einen Weg über seine Wangen hinab, ein bitteres Lächeln auf den Lippen. Erinnerungen spielten sich vor seinem Geist ab, immerwieder, überschlugen sich. Die Reise in den Norden, der Tod von Leyn Thober, die Tochter des Wirtes im 'goldenen Hufeisen', Firens Opfer im Kampf, der Garten von Steinstolz, das Zimmer in Dreikeiler mit der Leiche der Frau, Charis verlegendes Lächeln und Charis toter Körper in einer Lache aus Blut, Cleds Flüstern 'Narr...', schliesslich der Traum als der Troll ihn niedergestreckt hatte und Falks Worte, niemals die Waffe zu verlieren. Seine Faust ballte sich um den Schwertgriff.

Falks rechter Schulterpanzer war mittlerweile eingedellt und der rechte Armschützer zerschlagen und blutig. Sein Schwert parrierte wieder hoch und direkt danach einen Stoss des zweiten Kriegers. Ohne Rimons Hilfe waren seine Chancen sehr gering und er wusste das. Er musste handeln, solange er noch die Kraft dafür hatte. Den nächsten Schlag lenkte er zur Seite ab, ging in die Knie und liess seine Klinge flach kreisen. Der erste Krieger hatte den Angriff früh genug erkannt, doch die Waffe schlug mit voller Wucht gegen das Bein des zweiten Kriegers, worauf dieser mit einem Aufschrei zu Boden ging. Falks Tritt gegen die gepanzerte Hand des Gefallenen liess dessen Klinge über die Treppe hinausfliegen, hinab in den Abgrund.

Rimon versuchte sich zu konzentrieren, eine Ordnung in seine Gedanken zu bringen. Sein ganzer Verstand war ein Wirbel aus Gefühlen und Erinnerungen. Mit Mühe stellte er einen Fuss auf den Boden, noch immer auf dem anderen Knie. Das Schwert war so schwer geworden in seiner Hand, trotzdem der Versuch es hochzuheben.

Der Tritt hatte zwar den Kampf ausgeglichen, doch Falks verbliebener Gegner war nicht untätigt gewesen, sondern hatte den Moment genutzt um einen Schlag gegen den Brustpanzer von Falk zu richten. Dieser verbeulte sich unter dem Einschlag und Falk taumelte einen Augenblick lang, um dann im letzten Moment wieder seine Waffe hochzubekommen um den nächsten Schlag abzuwehren. Sein Atem ging mittlerweile nurnoch keuchend, doch er war nicht dazu bereit aufzugeben. Nach all den Jahren kam es ihm nun vor als hätte er damals überlebt, um diesen Kampf zuende zu bringen. Den nächsten Angriff lenkte er nach oben ab und nutzte den Schwung für einen tiefen Schlag. Sein Gegner brachte zwar sein Schwert noch hinab um zu parrieren, doch fand Falks Klinge das entstandene Loch in der Deckung.

Langsam hob er das Schwert vom Boden, Stück für Stück höher... als er plötzlich Biancas zarte Finger auf seiner Haut spürte. Sie umspielten die Verletzung an der Seite seines Gesichtes. So liebevoll die Berühungen, die Wärme vertrieb den Schmerz und er blickte hinauf in die grossen blauen Augen der Priesterin. Unschuld, Sünde, Versprechen und Schicksal, er fand alles darin. Das Klirren der Klingen hörte er nicht mehr, vergessen. Ihr warmer Atem glitt über seine Haut, bis er schliesslich ihre Lippen auf seiner Stirn fühlte. Alles war vergessen, nichtig geworden. Seine Finger lösten sich von dem Griff und sein Schwert begann zu fallen.

Falk blickte seinem Gegenüber tief in dessen grüne Augen, als er sein Schwert drehte. Er fand Panik darin, Angst. Blut lief aus dem Mund seinen Gegners, über das Kinn hinab, als dieser versuchte etwas zu sagen oder zu schreien. Aber kein Laut drang aus ihm hervor. Schliesslich zog er seine Klinge hervor und der Krieger sackte auf der Treppe zusammen. Dann drehte sich Falk zur Seite um mit dem entwaffneten Gegner abzurechnen. Im nächsten Augenblick erfüllte ein Hasserfülltes Gesicht seinen Blick und er riss sein Schwert noch hoch. Der zweite Krieger spießte sich selbst an Falks Schwertklinge auf, prallte aber mit der Wucht seiner Plattenrüstung gegen den Streiter Tyrs und riss ihn mit sich über die Treppen hinaus in den Abgrund. Falks letzter Schrei, "Riiiimooooon!", zog sich in die Länge und wurde immer leiser, bis er verstummte - gleichzeitig mit dem Klirren als Rimons Schwert auf den kalten Steinboden fiel.

***

Rimon lag auf dem Altar im Zentrum der Kammer und verdeckte das blaue Licht fast vollständig. Durch jede leichte Bewegung seines athletischen Körpers tanzten Schatten durch die Kammer. Seine sonst nackte Haut war bläulich verfärbt mit roten Flecken darauf, geschaffen durch unerbittliche Kälte und Blut. Sein Blut. Das kurze Haar war mit Eiskristallen bedeckt. Der Schrecken hielt ihn starr zwischen scharfen Klauen, seine einzige Bewegung war das panische Zittern seines Körpers. Unkontrollierbar, durch Hass, durch Lust, durch Angst und durch Schmerz geschaffen. Die einst so schönen dunklen Augen spiegelten nurnoch den Terror wieder, der sich in ihm festgebissen hatte - nichts von deren Schönheit war geblieben. Doch in seinem Blick fand sich noch etwas anderes, darin spiegelte sich einen Teil seines Gegenübers wieder; zwei rote Lippen. Sie formten Worte, ein Ritual, doch er konnte sie nicht hören, denn seine eigenen Schmerzensschreie waren zu laut, voller Pein, überschlugen sich, raubten ihm die Sinne. Doch bevor ihn das unendliche Schwarz einholen konnte, vernahm er noch ein leises, fast schon liebevolles Flüstern: "Der Kreis schliesst sich, Rimon."
Dann endete sein Leben.

Myria Crieth

#10
Wiederkehrende Albträume I - Jäger (31.01.2008)


"Zu Leben heisst zu sterben,
so hebe deine Arme, mein Kind,
und umarme dein Schicksal.

Sieh es nicht als das Ende,
sondern als einen Anfang,
für den letzten Teil des Lebens.

Es ist mein Geschenk an Dich.
Weine nicht, mein liebstes Kind,
denn wer stirbt schon so feierlich?"



Ein letzter mächtiger Schlag trieb den Zaunpfahl tief in den Erdboden. Zufrieden betrachtete Horras sein Werk. Eigentlich wollte er den neuen Zaun fertig haben, bevor sie Sonne unterging. Aber er hatte seinen Sohn helfen lassen und mit dessen zwölf Jahren war er alles andere als eine wirkliche Hilfe gewesen. Aber es musste sein, wer könnte schon sagen was aus dem Jungen werden würde, wenn er zuviele Tagen mit seiner Mutter bei der Hausarbeit verbringen würde oder nur herumlungern und den Nachbarn Streiche spielen? "Jassi!" Er schaute sich um, wo war der Kleine nun schon wieder hin? "Jassi, komm schon, genug für heute. Es gibt sicher gleich Abendessen!"

Er bahnte sich einen Weg durch das Unterholz, Blätter, Äste und Dornen streiften seinen Körper, doch ihm war es gleich. Der Geruch seiner Beute war deutlich vor ihm, wie ein lieblicher roten Faden, den man durch den Wald gespannt hat. Er konnte sogar das Pochen des Herzens hören, in Gedanken schon die Wärme des Körpers spüren.

"Jassi, nun komm schon! - Jaspar, der Spass ist vorbei!" Mittlerweile frustriert hatte Horras seinen Hammer an die Hauswand gelehnt und bereits den Stall kontrolliert. Jaspar liebte es sich zu verstecken. Nun war er auf dem Weg vom Stall zum Waldrand. Es war nicht das erste Mal, dass der Junge sich dort versteckt hatte. Ausserdem war die Lichtung mit dem Bach einer seiner Lieblingsplätze.

Seine Schritte verlangsamten sich, seine Atmung ruhig und flach. Er war ein Jäger und seine Beute durfte ihn erst im letzten Moment bemerken. Geduckt schob er seinen Körper an einem Stein vorbei. Vor ihm war ein kurzer Trampelpfad und eine Lichtung. Unwissend hatte es sich seine Beute dort auf einem Stein bequem gemacht. Lautlos glitt sein Körper entlang am Rand der Lichtung, Schritt für Schritt auf den Preis seiner Jagd zu.

Immerwieder musste Jaspar leise lachen, natürlich wusste er, dass er nichts mehr zu lachen hätte, sobald sein Vater ihn gefunden hatte. Aber die Spannung und die Idee seines Streiches, um seinen Vater zu ärgern, überwiegten einfach. Es war ja nicht so das er wollte das sein Vater sich Sorgen machen würde, solche Gedanken lagen ihm fern. Für ihn war es einfach nur ein Spiel. Ein Rascheln im Busch einige Schritte von ihm entfernt liess ihn kurz erschrecken - war dort was gewesen? Doch der nächste Ruf seines Vaters lenkten seinen Blick und seine Gedanken wieder in die andere Richtung.

"Jassi, es reicht nun wirklich! Wenn du nicht gleich kommst hast du die ganze nächste Woche Arrest auf deinem Zimmer! Das Essen ist längst fertig!" Horras hatte das hohe Grass am Waldrand abgesucht und machte sich nun auf den Weg in den Wald selbst. Mittlerweile machte er sich schon Sorgen, vielleicht war dem Jungen wirklich etwas passiert? Auf der anderen Seite, es war nicht das erste Mal das er sich so spät Abends noch versteckt hatte. Mittlerweile machte auch das Zwielicht des Abends Platz um sich der Nacht selbst hinzugeben. Gleich hatte der Junge es geschafft das er eine Laterne holen müssen würde.

Er konnte das Alphatier bereits hören, wie es nach seinem Jungtier suchte. Die Rufe - "Jassi!" - und die Schritte schon laut genug, als das er es über eine Meile hinweg hätte hören können. Bereits bildete sich Sabber in seinem Mund, voller Vorfreude und mittlerweile konnte er die Angst des Jungtieres spüren. Ohja, es war sich seiner Anwesenheit bewusst. Doch zu unerfahren um die Gefahr einzuschätzen, und zu verängstigt um einfach in die Schatten der Nacht davonzulaufen. Es wusste nichtmal wo er war, der Blick zuckte Wild von Baum zu Baum. Doch er, der Jäger, bewegte sich Zielsicher um seine Beute herum. Mittlerweile würde ein Sprung ausreichen um in die Kehle des Jungtieres zu beissen. Doch er genoss die Angst seiner Beute zu sehr, noch ein Schritt näher und noch ein Schritt.
"Paps!" Von einem Moment auf den Nächsten war die Beute davongekommen. Einfach aufgesprungen und losgelaufen. Er war zu sehr in den Geruch der Furcht vertieft gewesen - dies würde ihm kein zweites Mal passieren. Und nur weil das Alphatier sein Junges gefunden hatte, war es noch lange nicht in Sicherheit. Immerhin hätte es sowieso kaum seine Gier befriedigt.

"Jasper!" Und er umschloss seinen Sohn mit beiden Armen. Eigentlich hatte er fest vorgehabt dem Kind eine ordentliche Ohrfeige zu verpassen, doch jetzt, voller Erleichterung, waren alle Gedanken daran vergessen. Er war nur froh das seinem Kind nichts passiert war. "Das Essen wartet, Jassi. Aber du hast Morgen Zimmerarrest!" "Aber Paps..." "Kein 'Aber'!"

Wieder bahnte er sich seinen Weg durch das Unterholz, es war weit einfacher dem Alphatier zu folgen. Doch ebenso musste er vorsichtiger sein. Sie würden ihm zu dem Rest der Herde führen, alles was er dafür tun musste war warten.

"Endlich! Bring deinem Jungen mal bei, dass es Essen gibt, wenn es auf dem Tisch steht und nicht wenn er sich herbequemt!" "Es ist auch dein Junge..." "Ach, manchmal bin ich mir da garnicht so sicher!" Unweigerlich musste Horras grinsen. Maria, seine Frau, war so eine herzensgute Person. Doch bei einigen Sachen, wie wenn man das Essen kalt werden lässt, konnte sie richtig gemein werden. Natürlich war das nie so gemeint, sie musste lediglich ihrer Wut oder ihrem Frust etwas Platz machen. Aber kochen kann sie wie keine Zweite, dachte sich Horras, während er den ersten Löffel Suppe kostete.

Er sah sie, eine erbärmlich kleine Herde von drei Tieren. Verständlich das sie sich hinter Felswänden in dieser Höhle versteckten. Mittlerweile hatte er eine Art Gebietsmarkierung erreicht, in den Boden gerammte Baumstämme. Durch ein Loch in der Felswand konnte er deutlich sehen wie die Herde gerade am Essen war. Der Geruch war widerwärtig, selbst das Fleisch verbrannt und verdorben mit merkwürdigen Gerüchen und Geschmäckern. Er nutzte jeden Schatten um seinen Körper zu verstecken von den Lichtern die aus der Höhle herausscheinten. Gefanges Feuer für jene, welche die Dunkelheit fürchteten. Er fürchtete sie nicht, denn er war einer der Gründe wieso man die Dunkelheit fürchtete.

"Aber deine Mutter hat Recht, das war heute das letzte Mal. Ich will Dich nicht nochmal suchen müssen!" Sein ernster Blick lag auf Jaspar, er wollte dem Kind nicht drohen müssen. Ihm war es viel lieber, wenn sein Sohn es von alleine verstand und einsah. Maria nickte nur und stand auf um weitere Brotscheiben zu holen. "Ich wollte ja kommen! Aber..." Ja?" "...aber da war etwas." "Und was war da?" "Ich weiss es nicht! Aber ich hatte wirklich Angst!" Er seufzte, sein Sohn musste ihn nicht belügen als Entschuldigung. Er hatte ihm doch so oft erklärt, das er ihn nicht anlügen müsste. Niemals. "Jassi, du sollst mich nicht anlügen." "Aber ich lüge nicht! Da war wirklich etwas!"

Noch immer konnte er die Angst des Jungtieres riechen. Sie zog sich durch den Geruch der Körper, durch den Geruch des Essens und durch die Gerüche der sonderbaren Höhle hindurch. Wie eine Droge stimulierte die Angst seine Sinne, machte ihn stärker und schneller. Er sprang aus dem Schatten, rannte die letzte Schritte hin zur Feldwand. Nun musste er nurnoch einen Weg in die Höhle finden..

"Da war es wieder!" Horras Blick folgte dem Blick seines Sohnes aus dem Fenster hinaus. "Da war es gerade! Ich schwör!" "Es ist gut Jassi, lass es sein. In Ordnung? Ich habe darauf wirklich keine Lust." "Aber wenn ichs doch sage!" "Genug!" Aus Reflex hatte er seinem Sohn eine Ohrfeige gegeben. Doch der blickte ihn nur voller Wut und Trotz an. "Nun iss in Ruhe weiter oder du kannst gleich auf dein Zimmer gehen!" Tränen liefen über die Wangen des Kindes "Aber..."
Nun war es ihm genug und er stand auf. "Gut, ich werde jetzt schauen ob dort was ist und wenn ich nichts finde, werde ich Dir erst den Hintern versohlen und dann hast du Arrest für die nächste Woche. Für die nächsten Wochen!"

Stumm blickte er seinem Vater nach. Es war so ungerecht! Da war wirklich etwas und er hatte wirklich etwas gesehen. Es war einfach nicht gerecht! Er hatte nicht gelogen. Naja gut, hätte er nicht so eine Angst gehabt, hätte er sich noch länger versteckt, aber das dort etwas gewesen war stimmte! Hilfesuchend blickte er zu seiner Mutter. Mutter war meistens auf seiner Seite. "Das hast du Dir selbst eingebrockt, Jassi, da brauchst du garnicht so zu schauen." Ungerecht!

Hatte die Herde ihn bemerkt? Er konnte deutlich hören wie die schweren Schritte des Alphatiers sich von den anderen entfernten, aus der Höhle heraus. Ein Fehler, wobei es so den Jäger in die Flucht schlagen konnte ohne das er die Chance hatte sich das Jungtier oder das Weibchen zu schnappen. Den Körper eng an die Feldwand gepresst pirschte er voran, den Schritten des Alphatiers entgegen.

Für alle Fälle nahm er sich den grossen Hammer neben der Eingangstüre und trug ihn lässig in der Hand, bevor er in die Nacht heraus trat, eine Laterne hoch erhoben. Vor dem Haus war nichts zu sehen soweit der Schein der Laterne reichte. Langsam begann er seine Runde um das Haus. Immerhin wollte er seinem Sohn gegenüber fair sein, wenn er ihn schon so bestrafen wollte, dann wollte er auch sicher sein, dass sich wirklich kein Tier hierher verirrt hatte.

Manchmal war der Kleine wirklich unmöglich. Er wusste auch genau, dass sein Hundeblick sie meistens umstimmte. Aber sie musste hier natürlich zu ihrem Mann halten. Der Junge brauchte eine ordentliche Erziehung und dazu gehörten auch Grenzen, Regeln und Bestrafungen. Immerhin sollte er irgendwann den Hof hier übernehmen oder am besten noch es zu etwas bringen in der Welt. Vielleicht konnten sie ihm eine Lehre in der Stadt finden und er würde ein nettes Mädchen dort kennenlernen. Sie konnte sehen wie Horras am Küchenfenster vorbei ging.
"Und, schon was gefunden?" "Hier ist nichts, der Junge muss sich das eingebildet haben." "Dann komm wieder rein, das Essen wird sonst wirklich noch kalt." "Moment, ich glaube dort drüben hat sich was bewegt."

Ängstlich blickte er zu seiner Mutter. Aber es war natürlich auch ein gutes Gefühl. Er hatte Recht gehabt und vielleicht hatte sein Vater es auch gesehen. Immerhin hatte er keine Lust wochenlang auf seinem Zimmer bleiben zu müssen. Und den Hintern versohlt zu bekommen, darauf konnte er generell gut verzichten. Gerade als er sich den Mut zusammengenommen hatte, um sein "Ich sagte es doch!" rufen zu wollen, hörte er die Stimme seines Vaters "Sie...! Was...Ahhh!".
Dem folgte ein Gurgeln, ein dumpfer Aufschlag und ein Röcheln.

Das Blut und die Todesangst des Alphatiers stimulierten alle seine Sinne bis ans Äusserste. Farben blühten um ihn auf, die er zuvor nur als Schwache Erinnerung eines Vergangenen Lebens mit sich getragen hatte. Seine Klauen hatten sich Tief in das Fleisch gegraben, seine Zähne die Kehle aufgebissen. Er betrachtete seine Klauen im Schein des gefangenen Feuers, das sein erstes Opfer hatte fallen lassen. Merkwürdig, seine klauen selbst waren so länglich, die Krallen flach und kurz. So feminin. Er hatte sich anders in Erinnerung. Aber es spielte nun keine Rolle, der Aufschrei des Weibchens läutete den letzten Teil der Jagd ein...

Myria Crieth

Gedanken einer Sadistin (08.02.2008)

"Wer denkt gelitten zu haben, der soll in
meine Augen schauen, und ich will ihm zeigen,
was wahres Leid ist. Erst wenn der Schmerz so
tief sitzt, das er den Hals zuschnürt,
den Geist benebelt - so überwältigend, dass alles,
alles, bis auf das Leid selbst, an Bedeutung verliert,
dann beginnt man wahres Leid zu spüren."


Diese Welt wurde aus Chaos geboren. Dies ist etwas, das
wir uns immer vor den Augen halten sollten. Recht und
Ordnung, Freiheit und Gerechtigkeit, solche Moralvorstellungen
sind nicht mehr als ein Gebilde gegen unsere Natur.
Sie aufzubauen kostet Schweiss und Blut, sie einzureissen
nicht mehr als Nachlässigkeit. Auch wenn die selbsternannten
Helden, die Weltverbesserer und oh-so-edlen Ritter uns
gerne glauben machen wollen, das Freiheit das Fundament
unserer Gesellschaft und Nächstenliebe die Steine dazu sind,
so lasst Euch nicht von ihren verträumten Lügen täuschen.
Niemand hat ein Recht auf Freiheit oder Nächstenliebe.
Das einzige Recht mit dem man geboren wird, ist das Recht
zu sterben. Und nichtmal das möchten die Meisten.

Diese Welt wurde aus Chaos geboren. Und das durchzieht
jeden Moment davon. Lasst Euch nicht von den unbefleckten,
weissen Palastwänden täuschen, denn auch die Erde auf
der sie gebaut sind, war einst in Blut und Asche getränkt.
Das Euch eine Stadtmauer vor den Räubern und Raubtieren
der Welt schützt, ist kein Recht das bei der Geburt in
die Wiege gelegt wird. Das die Garde Euch verteidigt und
die Gesetze Euer Leben beschützen ist kein Geschenk an
Euch, alleine dafür das man Euch ins Leben warf.
Es ist das Ergebnis von Menschen die Visionen hatten und
die Stärke diese wahr werden zu lassen. Oder es ist das
Ergebnis der Götter, welche uns führten und leiteten.

Und darauf ist eine Stadt gebaut, die zwei Grundfesten,
welche unsere Gesellschaft trägt: Glauben und Stärke.
Und an deren Gegenteil wird die Ordnung zugrunde gehen,
wenn die Welt zuerst in Anarchie versinkt, durch die
Weltverbesserer und Blumenkinder dieser Welt, bevor das
Chaos jene und uns alle verschlingt, um diese Welt wieder
in Blut und Asche zu tränken, wie sie geboren wurde.

Doch was ist Stärke?

Stärke, sie steht für so viel. Disziplin, Macht, Wissen.
Es ist ein Wille, es ist ein Schwert und es ist Loyalität.
Doch vorallem ist die Stärke die der Seele. Die Abwesenheit
von Schwäche. Nicht seiner Schwäche zu folgen, nicht an
sich selbst zu scheitern. Wieviel Stärke bringt einem das
Schwert, wenn man nicht den Mut hat es zu schwingen?
Wieviel Stärke bringt einem all das Wissen der Welt, wenn
man sich nicht traut es zu nutzen. Wenn man nicht fähig ist
aus dem Gefängnis seiner selbst auszubrechen?
Schwäche ist wie eine Krankheit, schwarze Flecken auf der
reinen Haut unseres Lebens. Nimm das Schwert und schneide
es heraus! Nimm das Feuer und erstick den Schandverleck
in den Flammen!

Es ist an jenen, die die Stärke besitzen, die handeln
können, die Zügel in die Hand zu nehmen, und jene zu führen
die Führung brauchen, und jene zu vernichten, die nicht stark
genug sind zu bestehen.
Es ist an uns diese Welt vor jenen zu retten, die sie
in unserem Schutze zerstören wollen, mit ihren falschen
Ansichten und mit ihrer Schwäche. Mitgefühl ist kein Recht,
Nächstenliebe keine Pflicht. Man es sich höchstens verdienen,
indem man etwas schafft. Nicht durch Untätigkeit oder allein
durch die Existenz selbst. Ehre wem Ehre gebührt.

Ein Duellant der seine Klinge fallen lässt und nach dem Leben
bettelt? Hebt den Kopf und greif das Schwert! Für deine Schwäche
ist kein Platz in dieser Welt! Die Last des Lebens wiegt zu
schwer auf deinen Schultern? Spar Dir deine Tränen und streng
Dich an. In der Welt geschieht soviel Unrecht, soviel Schmerz
und soviel Leid, sieh es als einen Teil des Lebens. Erhebe
Dich, und akzeptiere es.
Man versteckt sich nicht, man fällt nicht auf die Knie und
wartet darauf, das jemand seine Hand ausstreckt, um zu helfen.
Man nimmt die Schläge des Lebens hin, man steckt sie ein, man
steht auf und man geht weiter. Beweise Dich, sei stark - oder
vergehe. So spricht die Göttin, so steht es geschrieben und
so soll es sein. Siege sind schon immer entgültig oder nichtig.

Und so seht auf mich und erkennt!

Ich bin nicht mehr als die ultimative Prüfung - Racheengel und
Lehrerin in einem. Gekommen mit der Peitsche in der Hand,
zu strafen und zu foltern. Dahinter steckt keine Willkür,
und kein Sadismus. Ich sortiere das Volk, schaffe eine Welt
der Stärke, dazu in der Lage sich selbst zu schützen, vor
sich selbst. Ich bringe nicht den Tod; es ist lediglich der
gerechte Preis des Versagens. Ich bringe Leben und ich bringe
Stärke - Nimm es, doch beweise Dich dafür!

Erkläre mir deine Gedanken, erzähle mir von deinen Sehnsüchten
und spich über deine Vergangenheit - und du schmiedest mir ein
Schwert aus Feuer. Sprich über die Menschen die du liebst,
sprich über deine Probleme und sprich über deine Albträume
- und du schmiedest mir ein Schwert aus Eis.
Ich wende deine Schwächen gegen Dich, denn nur an Dir selbst
kannst du wachsen. Sieh mich an, ich tue es für Dich! Ich
trage kein Schlachterbeil, kein Wahnsinn in meinen Augen
und keine dornenbesetzte Rüstung. Ich bringe nicht den Terror
und ich ergötze mich nicht an deiner Angst. Ich trage ein
feines Kleid, einen Fächer oder ein Glas Wein in der Hand.

Welche Gefahr kann ich schon sein?

Ein feines Kleid zu tragen, anstatt einen Leinensack,
verändert nicht deinen Blick auf diese Welt, sondern es
verändert den Blick dieser Welt auf Dich. Gepflegte Haut,
ein gekonntes Lächeln, und mir stehen soviele Türen offen
wie einer Königin. Ich habe mehr Leid über das Land gebracht
mit einem Spiegel und einem Kamm, als es mit dem Schwert
je möglich gewesen wäre.
Beschwöre Hoffnung, hinterlasse den Schmerz. Lass mich
in deinen Gedanken zu einer Göttin aufsteigen - Momente
voller Begehren - und ich lasse Dich fallen, in das tiefste
Loch von Scham und Zweifel. Jedes Lächeln, so oft alleine
geübt. Jeder Wimpernschlag, schon so viele Male genutzt,
um einen Mann das Herz zu stehlen, und um es zu brechen.
Wieso trage ich wohl ein schulterfreies Kleid, selbst
wenn die Sonne nicht am Himmel steht? Wieso raubt mir
ein Korsett die Luft, wenn ich doch lieber atmen würde?

Tue nicht so, als wäre ich ungerecht. Es sind deine Fehler,
nicht die meinen, die Dich einholen. Ich bin voller Gnade,
wie die Göttin es lehrt. Ich bin voller Hoffnung auf einen
neuen Anfang. Ich bin nicht der Tod, ich bin das Leben,
in all seinen Facetten. Komm zu mir und lerne.

Ich bin nur die Prüfung. Der Göttin Geschenk an die Welt!
Sieh mich an und lerne. Lass Dich lehren, die Erkenntnis
des Seins ist mein Fach. Folge meinen Gedanken, ich zeige
Dir worin Stärke liegt. Jene Stärke die das Volk braucht,
um sich selbst zu erhalten. Ich helfe - ich tue Gutes!

Lass meine Rache an Dir ein Geschenk sein.

Myria Crieth

#12
Wiederkehrende Albträume II - Süsslicher Duft (08.02.2008)

"Nichts und nichts in einem ewigen Traum,
erst der süssliche Duft bringt hervor,
woran die Zeit selbst zu scheitern schien."


Ich setze mich nieder, trotz der Geräusche der Nacht kann ich mein Herz schlagen hören. Wie magisch pocht es in meinen Ohren, über das Lied eines Betrunkenen hinweg, über die vielen gedämpften Stimmen der Raststätte, die durch das Holz dringen. Als hätte mich eine Krankheit befallen, spüre ich die Schwäche in meinen Gliedern.
Der Sturm zieht auf.

Ein Schatten zwischen den Häusern, wie eine Schlange im Grass bewegt er sich durch die Gassen der Stadt. Die Bewegungen so kontrolliert, so zeitlos elegant. Die hohen Wände aus Holz und Stein, sie sind ihm fremd. Ein riesiges Labyrinth aus Felsen, eine Höhle, der man die Decke nahm. Doch alle Jagdgründe haben eines gemeinsam. Beute.

So eng der Raum, er droht mich zu erdrücken. Die Atmung fällt mir schwer - ich kann hier nicht bleiben. Zu ersticken ist kein schöner Tod. Ich werfe mir meinen Mantel noch über die Schultern, dann habe ich auch schon die Türe hinter mir geschlossen. Die Menschen im Schankraum, zu viele und zu laut, ich drehe ab und wähle die Tür ins Freie.

Seine roten Augen brennen durch die Nacht. Sie folgen den Bewegungen, seine Erfahrung lässt ihn warten und lauern. Inmitten der Herde ist selbst der Jäger in Gefahr. Es gilt zu wählen, eine Beute muss erst noch auserkohren werden. Was darf es heute sein? Ein fettes Tier, genug Fleisch daran um Wochenlang davon zu leben? Oder soll es eines der Weibchen sein, deren Duft mehr als nur Hunger heraufbeschwört?

Der kalte Nachtwind empfängt mich und ich kann wieder atmen. Doch die Luft ist schmutzig und verdorben. Meine Beine setzen sich wie von alleine in Bewegung, auf der Suche nach einem Ort der Ruhe, um klare Gedanken zu sammeln und klare Luft zu atmen. Mein Blick schwenkt nach links, ein Weg so gut wie jeder andere. Nur weg von der Taverne.

Und da ist seine Beute, satt und rund tritt es durch eine Türe. Ein älteres Männchen, vom Leben in dieser Herde zu sehr verwöhnt. In seiner Welt gab es keine Gnade und kein Verständnis dafür, lediglich das Jagen und Töten. So begann er der erwählten Beute zu folgen, durch Schluchten aus Stein und Holz.

Wieder bog ich ab. Schon längst hatte ich mich in der Stadt verlaufen. Mir war unwohl, schlecht. Selbst der Fackelschein blendete mich. Bei jedem Schritt wurden die Gassen enger, nicht mehr lange und ich würde zwischen den Häusern zerdrückt werden. Ich musste hier raus, weg von all dem.

"Tausend Sterne und ein brennender Mond,
tausend Stimmen und doch nur eine Melodie,
Schönheit ist doch so oft ein bitterer Fluch."


Da war er, der lockende Duft von Angst. Die eigentliche Beute vergessen, folgte er einem weiteren Ausläufer der Schlucht. Er konnte ihre Angst schon riechen. Ihre Angst. Es war nicht nur die Angst die ihn lockte, sondern auch ein anderes Verlangen. Ihr Duft schrie ihn förmlich an ihr zu folgen. Wie ihre Angstschreie ihn erst beflügeln würden, wenn die Angst vorm ihm überdecken würde, was auch immer sie nun fürchtete.

Mein Blick flog wild umher, ich hatte das Gefühl die Zeit würde mir ausgehen. Die Gassen zu eng, die Luft zu vergiftet, die Lichter zu hell, so das ich daran erblinden würde. Mein Schritt begann sich zu beschleunigen, ich rannte durch die Strassen, eine sah für mich wie jede andere aus.

Endlich hat er seine Beute im Blick. Sie entfernte sich vom Rest ihrer Herde, wohl noch zu jung um die Gefahren der Welt zu verstehen. Zu behütet von einer faulen Herde. Mittlerweile hat er es geschafft einen Felsvorsprung zu erklimmen und bewegte sich nun über der Höhle hinweg. Es war merkwürdig, hier oben war keiner der Menschen. Wieso bot man einem Jäger wie ihm eine solche Position? Er konnte seiner Beute von hier oben folgen, ohne aufpassen zu müssen, ohne das sie ihm jemals entkommen könnte.

Endlich durch das Tor der Stadt in die Freiheit. Ich stolperte den Weg entlang, reine Luft durchflutete meine Lungen. Ich hatte die Lichter der Stadt hinter mir gelassen. Das Grass streifte meine Beine bei jedem Schritt, mein Blick hinauf in den Sternenhimmel gerichtet. Noch immer war mir übel, doch dem Schlimmsten schien ich entkommen.

Noch immer hatte sie ihn nicht bemerkt, die Beute den Jäger. Zeit das Spiel der Jagd zu beginnen. Was sie auch hier draussen, fernab der anderen Tiere suchen würde, ihr würde nicht die Zeit bleiben es zu finden. Sein erstes Geräusch in dieser Nacht, als er einen Ast zertrat und mit grossen Sprüngen auf sie zu hetzte. Er wusste er war schneller und auch ihr musste dies wohl bewusst sein.

Der Sturm war gekommen und brach wie eine dunkle Flutwelle über mich herein. Ich rannte um mein Leben, weil mich der Instinkt vorantrieb, nicht weil ich glaubte meinem Schicksal dieser Nacht entgehen zu können. Bäume zogen an mir vorbei, verschwommene Schatten in der Nacht.

"Ein Mund zum Küssen ohne jegwede Lippen,
Messerscharfe Zähne - welch ein Liebesbiss.
Einst war es ein Körper, nun ein Kunstwerk."


Ein letzter Sprunng und seine Krallen schlugen sich in ihr Fleisch, sein ganzes Gewicht auf ihrem Oberkörper. Sein Gewicht, die Wucht des Aufpralls und die Schmerzen, jedes einzelne davon war zuviel für den Körper des Weibchens. Die Beine konnten sie so nicht mehr tragen und sie ging nieder, seine Klauen rissen blutige Linien in ihre zarte Haut. Längst war es kein Hunger mehr, der Geschmack von Blut hatte den Jäger in einen Rausch versetzt.

Ich schrie, nicht wegen dem Schmerz, sondern in der Hoffnung den Schrei in meinem Kopf damit zu übertönen. Tränen fielen meine Wangen hinab, eine unkontrollierbare Flut der Emotionen. Oder war es Blut, mein Blut? Mein Blick verschwamm im tiefen Rot, als hätte er den kurzen Gedankengang beantworten wollen. Blut flutete meinen Mund.

Die Ekstase des Mordes, der Geruch des Fleisches, wie von Sinnen zog der Jäger seine Klauen über den Körper der einstigen Schönheit. Dafür hatte ihn die Unendlichkeit geschaffen, für diesen einen Moment! Ihre Schmerzenschreie waren eine Melodie in seinem Kopf und gleichzeitig die Peitschenschläge, die seinen Wahnsinn antrieben. Haut, Muskeln, Fleisch, Knochen - nichts sollte seinem Blutrausch standhalten.

Unmenschlicher Schmerz durchzog jede Faser ihres Körpers, ihr Verstand darunter fortgewischt und begraben. Ein Moment wurde zur Unendlichkeit, bis das Schwarz endlich ihren Geist empfing und ihn herabzog on die ewigen Abgründe der Bewusstlosigkeit.

Sein Brustkorb bebte, sein Atem keuchend. Langsam ebbten die Wellen der Ekstase in ihm ab und die kalte Ruhe des Raubtiers, der kalte Verstand des Räubers kehrte zurück. Seine Beute vor ihm, leblos, zerfleischt, verendet. Sein Hunger befriedigt, ihr süsslicher Duft erloschen, nicht mehr als Blut nun. Es war Zeit sich zurückzuziehen und auf die nächste Jagd zu warten.

Ich schlug die Augen auf, um mich herum das Grün der Natur. Allein mein Gewand getränkt im Blut. Gewohnte Kontrolle, es war nicht das meine. Würden die Träume niemals enden? Wo war die Grenze zwischen Traum und Wirklichkeit?

"Nichts und nichts in einem ewigen Traum,
erst der süssliche Duft wird wieder wecken,
was die Zeit selbst vergessen wollte."


Diese Nacht hatte ein Jünglings vergebens auf seine Liebe gewartet. Sie hatte sich wohl nicht an des Vaters Wachen vorbeischleichen können, denn er sollte sie nicht wiedersehen.

Myria Crieth

Wiederkehrende Albträume III - Schrei (28.01.2008)


"Ein Kuss der Unendlichkeit,
er brennt wie Feuer über die Haut,
dort wo des Wahnsinns Zungen
das unschuldige Fleisch befleckten.

Sünde in den Augen des Opfers,
Sünde in den Augen des Täters."



Ein Schrei durchzuckte jede Faser ihres Körper - so laut das sie die Orientierung verlor und so schrill das er jeden Gedanken überdeckte. So rein, animalisch, unendlich und so alt, wie die Schöpfung selbst. Jeglicher Sinn für Ordnung und Verhalten wurde davongetragen, Risse in ihrem Verstand, als wäre es eine Glassplatte, die man zu zerschlagen versucht hatte. Gefühle und Urinstinkte, so alt wie der Schrei selbst, aus einer Zeit, aus einer Welt, in der alleine das Chaos herrschte und es nicht einmal Gedanken an Ordnung und Zivilisation gab, fluteten ihren Verstand.

Gier, Lust und Hass verdrängten jeden klaren Gedanken. Der Drang zu töten, zu töten um zu überleben, wuchs in ihr heran, mit jedem Moment stärker. Der bittere Geschmack von Blut auf ihren Lippen erfüllte sie mit Hunger nach Fleisch. Wie sich ihr ganzer Körper danach sehnte seine Zähne in das noch warme Fleisch ihrer Beute zu schlagen, nach der Jagd. Als Raubtier die Fährte aufzunehmen, der Geruch von Leben in der Nase, den Geschmack von Blut, das Pochen eines Herzens. Zu jagen, zu verfolgen, aufzulauern - nicht nur als Jäger, sondern als Räuber von Fleisch und Leben. Die Beute, das Opfer, zu überwältigen und zu töten. Und das noch lebendige Fleisch aus dem Körper zu reissen, es zu schmecken. So wie wir geschaffen wurden, wofür wir geschaffen wurden.

Gewalt. Eine Sehnsucht nach Gewalt drängte sich in den Vordergrund. Darin verborgen das Versprechen nach höchster Ekstase als Belohnung. Töten, Kämpfen, Erobern, nicht zum Überleben, nicht aus der Notwendigkeit heraus, sondern alleine um der Tat willen. Vor ihren Augen breitete sich ein brennendes Land aus, geschändet durch eine Unendlichkeit der Anarchie, durch das Recht des Stärkeren in einer Welt ohne Gewissen, ohne Mitgefühl und ohne Gnade. Der Boden war getränkt in Blut und Asche. Flammen bedeckten das Land als wären sie Bäume in einem Wald. Ihr ganzes Dasein war erfüllt von dem dunklen Versprechen der Belohnung, der Ekstase. Selbst ihr Bewusstsein darunter vergraben. Ihr Charakter, ihre Persönlichkeit, davongewischt, nur ein weiteres Raubtier im Chaos, bereit für den Preis zu morden.

Blut mischte sich mit Tränen, als der stechende Schmerz in den Augen anhielt. Sie schien in die Unendlichkeit hinabzufallen und doch spürte sie hölzernen Boden fest unter sich. Ihre Fingernägel, grösstenteils abgebrochen und blutig, versuchten sich am Holz festzukrallen, Halt zu finden. Noch immer lag der bittere Geschmack von Blut in ihrem Mund und dieser würde sie noch für einige Zeit begleiten, da ihre eigenen Zähne sich tief in Zunge und Unterlippe gegraben hatten.
Zeit verging bedeutungslos, und erst als ihr Fall sich zu verlangsamen begann, kehrte ihr Hörvermögen zurück - ihre eigene stockende Atmung, Wind der durch Blätter rauscht. Doch noch immer verweigerten ihre Augen den Dienst.

Als der Traum sie das erste Mal aufgesucht hatte, war sie in Panik ausgebrochen, im Glauben erblindet zu sein. Nun war sie sich der Überreizung der Sinne bewusst, was es jedoch keinesfalls erträglicher machte. Sie war Schmerzen gewohnt, doch eine andere Art der Schmerzen. Dies war eine Bestrafung, eine der sie nichts entgegen setzen konnte. Der Raum drehte sich noch ein letztes Mal um sie, dann sollte Dunkelheit ihren Geist für viele Stunden umfangen. Ein Schlaf ohne Träume.

Sanfte Sonnenstrahlen wärmten ihr Gesicht, der Geruch von altem Holz erfüllte ihre Nase, melodisches Vogelgezwitscher in den Ohren; nur der bittere Geschmack von Blut in ihrem Mund und der stechende Schmerz in ihrem Körper erinnerten noch an die vergangene Nacht. Ihre blauen Augen wanderten durch den Raum - sie befand sich in einem Schlafzimmer. Ein Kamin gegenüber des Bettes, der Boden, bis auf das Blut, gepflegt und doch zeigte der Blick durch das Fenster nur Bäume und Wald.
Es spielte keine Rolle wo sie sich befand, es galt nur wieder zurück zu finden.

Einige Augenblicke später verliess sie die Raststätte im Wald, ihre Robe eng um den Körper gezogen. Sie hielt nur kurz inne um sich ihr Gesicht und die Hände am Brunnen zu waschen. Natürlich war ihr aufgefallen, dass völlige Stille herrschte. Natürlich war sie sich bewusst, dass es ungewöhnlich war niemanden anzutreffen. Es war nicht von Bedeutung. Ausserdem hätte sie den Schankraum der Raststätte betreten müssen, um die Leichen zu finden.