Eine ewige Geschichte...

Started by Mondfluch, 13. April 2008, 20:53:40

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Mondfluch


Der endlose Kampf
Ein ewiges Ringen mit Händen und Füßen
Das Heilen von Wunden
Das Zerschlagen von Wunden
Die Zeit, die ihr grausames Lachen lacht.
Ardis Herbstregen
Yrea Tanzer
Celen Helldorn: Main Theme

Mondfluch

#1
Die Ruhe der Jahreszeit Herbst, die einen erfüllt. Sanft herabnieselnder Regen, der die Nasenspitze trifft. Von weit her erklingender Vogelgesang, der einen verzaubert. Ja... der Herbst ist schön, wenn er denn einmal da ist. Wie keine andere Jahreszeit liebte Ardis den Herbst, doch hätte sie sich niemals erdacht, ihn Teil ihres Namens werden zu lassen. Ja. Der Herbst ist schön. Nur ihre Sinne waren es an diesem regnerischen Tag im Herbst nicht, als sie ihr bauschige Kleid trug, das sich Wellen gleich um sie zu einer Stoffmasse aus schneeweißem Weiß auslegte. Ein Lilienstrauß in den Händen, ein falsches Lächeln auf den Lippen, das sie sehr bald noch nur allzu oft zur Schau tragen würde. Der Schafott, zu dem sie sich geführt fühlte. Besonders dieses eine Paar stahlgraue Augen, die einen den ganzen Weg über folgten. Qualen, Schmerzen, immerzu das falsche Lächeln. Tränen, die zurückgehalten werden. Müssen. Kein Entkommen – nicht für die Ewigkeit. Worte, über ihre weiß bestäubten Lippen kommend, denen sie selbst kein Gehör schenkt. Was sind schon Schwüre, die nicht ernst gemeint? Geklatsche, das wie Gelächter in ihren Ohren klingt, als sich seine Lippen auf die ihren pressen. Aus ihrem Rücken ragend eine Klinge aus Hass und... Kummer.

Ein anderer Ort, eine andere Zeit.

Regen, plätschernd, ihre dünnen Stoffschuhe schneidend. Steinen gleich auf sie niederprasselnd, auf das arme Geschöpf, das sie darstellt. Ihr Haar geschnitten, die Lippen in Bitterkeit verzogen. Durchnässt, geschwächt, nicht mehr könnend – fliehend vor dem eigenen Schicksal. Ein jedes Geräusch, das sie zusammenzucken und sich umwenden lässt. Gleichwohl nicht darum kümmernd, ob man ihr folgt, ob er ihr folgt. Wäre er es doch nur. ,,Ich halte diesen Schmerz nicht mehr aus", keucht sie, den Körperlichen nicht meinend. ,,Ihr Götter, oh, habt Ihr mich verlassen? Oder stellt Ihr mich nur auf die Probe, die mich stärker werden lässt?" Es geht nicht. Sie kann nicht. Kann und wird nicht. Dem entfliehend, der sie in den eigenen Fängen zu halten vermag, nicht gewillt, loszulassen. Hass wie Liebe, in den Augen brennend. Kein Wille mehr. Aber doch der Gedanke, sich auf neuem zu erheben. Eine Geschichte, die kein Ende, keine Gnade kennt... .
Schneller, immer schneller werdend, bis der Atem stockt, dem Regen sein Gesicht bietend. Sie wird nicht aufgeben, nur weiterkämpfen. Ein Stück, nur noch ein Stück, bis die Stadttore Tiefwassers aus ihrer Sicht verschwimmen. Das Gasthaus – nicht mehr weit. Ein Wille, der will, ein Körper, der nicht kann. Der Boden, der sie mit seinen matschigen und erdigen Armen umfängt. Heilsamer Schlaf, ein Balsam über sie legend.

Vor der Dunkelheit kein Entkommen.
Ardis Herbstregen
Yrea Tanzer
Celen Helldorn: Main Theme

Mondfluch

Kapitel: Bei den Schwarzmilchs...

Stimmen, unbestimmt ans Ohr dringend; leise, undeutliche Wörter sprechend, ein ewiger Schwindel, der die Sinne mit sich reißt, sie in seinen Klauen hält. Geplagt von Schüttelkämpfen, die mit einer unaussprechlichen Kälte über sie hereinbrachen, hohes Fieber, sie dominierend. Zugleich eine kleine Frauenhand, die ihre schmalen, feingliedrigen Finger hielten, sanft zudrückend, wenn sie stöhnte, von abscheulichen Alpträumen geplagt. Ein runzeliges, bärtiges Gesicht. Kalte Augen, ein feiner Mund. Strubbeliges honigblondes Haar. Bruchstücke, die Ardis mitbekam, nicht aber die Gespräche, die um sie herum geführt wurden. Eine Familie, die Familie Schwarzmilch, die sie bei sich aufnahm. ,,Das arme Ding." ,,Wird sie es überleben?" ,,Wenn wir sie nicht gefunden hätten..." ,,Was treibt ein Fräulein zu dieser Stund' in der Dunkelheit?" ,,Sie wird sterben. Wird sie." Penea, eine kleinwüchsige Frau in den besten Jahren, das dünne Haar fest zu einem Knoten um den Hinterkopf geschlungen, stets graue Gewänder tragend, die Frau von Hams Schwarzmilch, ein schweigsamer und sich eher im Hintergrund haltender Mensch, über den nicht viel bekannt, war es, die sie fand. Mit ihren beiden Kindern, Marta und Leif, auf den Rückweg ins Haus vom Holzsammeln, sah man Ardis, am Boden liegend, das Gesicht im Schlamm, eine Hand ausgestreckt, als ob vor ihrem Fall ein letzter, verzweifelter Hilferuf ihre Lippen verlassen hatte. Marta, die blond gelockte Frohnatur – Leif, der mürrische Pessimist, streitend, zankend, einander verspottend, während die arme Mutter sie auf den Karren zog, keuchend von und unter der Last, die sie für sie war. ,,Was wird aus ihr werden?" ,,Sie wird sterben, du dummes Kind." ,,Still, alle beide, sie rührt sich!" Ihre Lider flatternd, stöhnend unter dem Schmerzeskampf, den ihr eigener Körper austrug. Fremde Gesichter, die sich langsam abzeichneten, grob und bäuerlich geschnitten. Schweigen herrschte für einen Moment, dann sprach sie langsam, rau und heiser von der ausgedörrten Kehle. ,,Wasser." Der hastig gereichte Krug, der die ersehnte Erlösung brachte, linderte den Durst, nicht aber den Schock, der tief in ihr saß. ,,Mir träumte, dass- ...", begann sie, nicht weit kommend, als der Schwindel sie wieder mit sich in die Dunkelheit hineinriss. Ihre distinguierende, näselnde Sprechweise irritierte. ,,Seht, welch edle Worte diese Person nur spricht." ,,Ist sie eine Adelige?" ,,Warum schläft sie dann nicht in ihrem seidigen Bettchen und träumt von dem Saus und Braus der Adeligen?", zischelte dann Leif. Momente der betretenden Stille traten ein. Aber dann... ,,vielleicht ist sie in Schwierigkeiten?" Vier besorgte und beunruhigte Blicke, das heißt, nur drei davon wirkten wirklich beunruhigt, gingen zu Ardis, die wieder schlief, zugedeckt von einer grob gesponnenen Decke, die ihre weiche Haut zerkratzte.
,,Wenn eine Adelige in Schwierigkeiten ist, dann gibt es bestimmt ein Kopfgeld." ,,Leif!" ,,Leif... hat schon Recht, wenn es stimmt, wir... also wir könnten es gebrauchen..." ,,Mutter!" Gemurmel, Getuschel, Gestammel. Nichts von alldem bekam sie glücklicherweise mit. ,,Über eine Person, die sich in solcher Not befindet, sollte man nicht so sprechen", erklang dann mit einem Mal die eiserne und unerbittliche Stimme des Hausherrn, seine Faust ging bestimmend auf den Tisch. Wieder Stille, Schweigen. ,,Ich kümmere mich erst einmal um sie, dann sehen wir weiter", murmelte Penea, die sich von ihrer Familie entfernte und in die Küche ging, etwas holend, das ihren schlimmen Husten lindern sollte.

Als Ardis das nächste Mal erwachte, waren bereits einige Tage ins Land gegangen. Der Geruch von frischer Minze tränte in den Augen. Dass sie sich nicht alleine wähnte, zeigte ein sie wachsam betrachtendes Augenpaar von meergrüner Farbe. ,,Das Fräulein ist also endlich erwacht?" Ein Stirnrunzeln, ihr kränklicher Ausdruck auf dem Gesicht. ,,Ihr seid...?", hörte sie ihre eigene, heisere Stimme sprechen. Noch bevor ihr Gegenüber antworten konnte, wurde er von herannahenden Schritten unterbrochen. ,,Leif! Wo bei Chaunteas Erdumarmung bist du schon... oh." Ein leicht pummeliges Mädchen mit blonden Locken, die ihr über die Schultern fielen, und einen kleinen Korb Äpfel bei sich trug, lächelte sie an. ,,Wie schön, Ihr seid endlich erwacht." Sie stellte den Äpfelkorb auf dem Boden ab und drehte sich um ihre eigene Hüfte, nach hinten blickend. ,,Mutter! Mutter! Unser Gast ist endlich erwacht! Mu-tter!"
Ardis, die sich unter all den Fremden nicht recht wohl fühlte, betrachtete etwas unbeholfen ihre Umgebung. Ein einfacher, schlichter Raum. Direkt neben dem Holzbett eine Matte aus Stroh, ein Regal, in dem allerlei Tiegelchen und Döschen gelagert waren, auf der Fensterbank einige Kräutertöpfe. Nichts Erwähnenswertes. Alles in allem waren ihre Retter wohl Bauern, die in der nahe gelegenen Umgebung von Tiefwasser ihren Hof führten, denn ein rascher Blick aus dem Fenster zeigte ihr, dass sie sich in keinem Dorf befand. Das Gasthaus... war wohl noch weit. Ardis kräuselte die Lippen. ,,Mein Fräulein?" Über die plötzlichen Worte irritiert, wandte die Angesprochene sich um. ,,Ich habe gefragt, ob Ihr auch einen Apfelsud haben wollt. Is' vielleicht besser für Eure Gesundheit." Ein Nicken, mehr nicht. Denn ihre Gedanken waren wieder bereits weit entfernt.
Ardis Herbstregen
Yrea Tanzer
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